
Neben der Albertina ist das Bank Austria Kunstforum Wien auf der Freyung auch ein regelmäßiger Fixpunkt für mich geworden.
Seltene Gauguin Retrospektive
Im Herbst und Winter 2024 steht das erste Mal seit 1960 eine große Retrospektive zum Werk Paul Gauguins in Wien auf dem Programm, ein Grund mehr, sich das anzusehen. Und weil ich nach meinem Albertina-Besuch noch Zeit hatte, nutzte ich diese wahrscheinlich nicht so rasch wiederkommende Gelegenheit.
Zu sehen sind Bilder von seinen Anfängen als Postimpressionist bis hin zu seiner Vorreiterrolle als einer der Väter der Moderne, wobei seine Weiterentwicklung vom Spätimpressionisten zum Symbolisten und Synthetisten im Mittelpunkt steht. Seine Bildsprache war ihrer Zeit weit voraus und wirkte so bis ins 20. Jahrhundert und noch bis heute.






Fragen
Aber- darf man einen Künstler, der mehrfach mit 13 jährigen Mädchen zusammenlebte und auch Kinder mit ihnen hatte, überhaupt heute noch ausstellen und ansehen? Ich will mir kein Urteil über das Leben Gauguins anmaßen, weil auch der Zusammenhang mit der damaligen Lebensweise in den Kolonien und der damaligen Gesetze (Codex Napoleon, nachdem Mädchen mit 12 Jahren geheiratet werden dürfen) nicht ausser Acht gelassen werden darf.
Aber es ist auf jeden Fall notwendig, nicht nur die Werke in seiner künstlerischen Kraft zu sehen, sondern aus dem Kontext heraus zu betrachten, was die Unterschiede zwischen damals und heute sind und genau so ob wir sogenannten westlich geprägten Menschen heute mit Menschen anderer Kulturen immer korrekt umgehen.
Der Versuch von Antworten
Das Kunstforum schreibt auf ihre Homepage zur Ausstellung: „Heute, unter den Aspekten von postkolonialistischem Diskurs und Sexismus- und Missbrauchs-Debatten, hinterfragen wir die Figur und die Haltung eines Künstlers, dessen formalästhetisch neues und aufregendes Werk uns weiterhin begeistert.“ Und weiter : „Heute müssen wir der Figur Gaugin vor dem Hintergrund unseres Verständnisses von Exotik, Kolonialismus, Missbrauch Minderjähriger und kultureller Aneignung begegnen.“
Auf einer Schautafel einer Ausstelllung in der National Gallery in London vor einigen Jahren hieß es ebenfalls sehr deutlich: „Zur Zeit Gauguins waren frauenfeindliche Fantasien über polynesische Frauen weit verbreitet … Es kann keinen Zweifel daran geben, dass Gauguin seine privilegierte Stellung als westlicher Besucher ausnutzte, um die vorhandenen sexuellen Freiheiten bis aufs letzte auszuschöpfen.“



Unter dieser Prämisse bin ich dann auch durch die Ausstellung gegangen. Farbenprächtige Bilder die auf Tahiti Wirklichkeit, Wunschtraum und möglicherweise auch Angeberei zur Gewinnmaximierung ineinander verschmelzen, lassen uns aber nicht los.


Zwiespältiges Erlebnis
Ein ausgewanderter Banker in Geldnöten, der den Geist der Zeit als privilegierter Europäer sicher ausgenutzt hat, malt Bilder die in ihrer Intensität seinesgleichen suchen und heute noch genauso fesseln. Die Ausstellung lässt mich zwiespältig zurück.
Zur Klarstellung: Ich möchte aber auch keine Cancel Culture, in der Ausstellungen dieser Art nicht mehr möglich sind und mit falsch verstandener Political Correctness Zensur ausgeübt wird. Wichtig dabei ist aber die kritische Auseinandersetzung und die richtig dargestellte Einordnung in die aktuelle Denkweise.
Links
https://www.kunstforumwien.at/de/ausstellungen/500014/Gauguin-unexpected
https://www.derstandard.at/story/2000134936702/ein-mythos-ist-nicht-mehr-zu-retten-paul-gauguin-in
https://www.sueddeutsche.de/kultur/gauguin-portraits-in-london-auch-ich-in-ozeanien-1.4676755
https://wien.orf.at/stories/3275561/
https://www.monopol-magazin.de/die-verstoerende-seite-des-malerhelden
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