
Das Jahr 2024 ist in Österreich durch eine Reihe von Wahlen geprägt, angefangen mit einigen Landtagswahlen über die Arbeiterkammerwahlen. Die EU-Wahl folgt im Juni und im September die Nationalratswahl. Dann folgen im Jänner 2025 für Niederösterreich noch die Gemeinderatswahlen.
Demokratie und Wahlen sind mit Arbeit verbunden
Die meisten von uns haben sich wahrscheinlich noch nie wirklich gefragt, was zwischen ihrer Stimmabgabe im Wahllokal und der Veröffentlichung des Endergebnisses passiert, und da andererseits immer wieder die Frage gestellt wird, ob es bei Wahlen mit rechten Dingen zugeht und wer das kontrolliert. Ich sage hier salopp, wir alle können das, es ist nur mit etwas persönlichem Einsatz als Mitglied einer Wahlbehörde verbunden.
Daher möchte ich in diesem Blog die österreichischen Wahlbehörden vorstellen und eine Lanze für ihre Aufgaben brechen. Ich bin seit kurz vor meiner Matura politisch aktiv und seit dieser Zeit, also rund 45 Jahre auch in den unterschiedlichsten Wahlbehörden vom Gemeindesprengel, bei Partei- und Betriebsratswahlen und jetzt in der Bezirkswahlbehörde tätig und diese alle möchte ich hier kurz beschreiben. Keine Angst, ich gehe nicht zu sehr ins Detail, das kann man aber gern in meinen weiterführenden Links nachlesen. Die Mitglieder der einzelnen Ebenen werden von den wahlwerbenden Parteien nach einem Schlüssel, der auf dem vorigen Wahlergebnis beruht, nominiert und für ihre Aufgabe vereidigt.
Bis zu 70.000 Menschen sind in den Wahlbehörden freiwillig tätig
Da es bei Bundeswahlen rund 10.000 Wahllokale gibt, werden bis zu geschätzt 70.000 Menschen benötigt, um Wahlen ordnungsgemäß durchführen zu dürfen. Hierfür kann sich jeder Bürger über eine politische Partei nominieren lassen, ein politisches Amt ist dafür nicht nötig. Normalerweise ist es umgekehrt, die Parteien suchen oft händeringend nach Menschen, die sich bereit erklären, diese Funktion am Wahltag für einige Stunden auszuüben. Die Abgeltung der Wahlbeisitzer wird ab dieser Wahl mit einer Staffelung nach Aufwand pauschal von 33 Euro bis 100 Euro vereinheitlicht. Bisher gab es sehr oft keine Entschädigung für den zeitlichen Aufwand.
Die Sprengelwahlbehörde
Die kleinste und erste Ebene bei Wahlen ist der Sprengel. Hier geben wir Wähler unsere Stimme ab, wenn wir nicht die Briefwahl bevorzugt haben. Diese Stimmen müssen nach dem Ende der Wahlzeit gezählt und verifiziert gemeldet werden. Wenn wir das Wahllokal betreten, fallen uns einige Menschen auf, die dort sitzen, stehen oder Listen ausfüllen oder abhaken. Das sind die Mitglieder der Sprengelwahlbehörde die aus einem Wahlleiter, den Stellvertretern, den Beisitzern und Wahlzeugen und Gemeindebediensteten als Helfern besteht.
Sie alle sind dafür verantwortlich, daß eine Wahl ordnungsgemäß abläuft und am Ende der Wahl das korrekte Sprengelergebnis an die Gemeindewahlbehörde übermittelt wird. Wahlleiter und Beisitzer sind berechtigt die Stimmen auszuzählen, die Wahlzeugen beobachten den Wahlvorgang und die Helfer erstellen die Protokolle.
Die Stimmenauszählung
Zuerst werden die ungeöffneten Kuverts gezählt, die dann mit der Anzahl der abgegebenen Stimme laut Liste übereinstimmen muss. Erst wenn das passt, werden die Kuverts geöffnet und nach Parteistimmen mit und ohne Vorzugsstimme und ungültigen Stimmen sortiert. Die Summe dieser Stimmen muß wieder mit den abgegebenen korrelieren. Über die ungültigen Stimmen wird nach den Regeln, die für jede Wahl gesetzlich festgesetzt sind, als Sprengelwahlbehörde befunden. Erst wenn alle einig sind, wird das Protokoll von allen stimmberechtigten Mitgliedern unterzeichnet und mit den aufgeteilten Stimmzetteln in einzelnen verschlossenen Kuverts an die Gemeindewahlbehörde übermittelt.
Die Gemeindewahlbehörde
Der Vorsitzende der Gemeindewahlbehörde ist der Bürgermeister. Er beruft nach klaren Regeln und einem Zeitplan, der aufgrund des Wahltermins vom Gesetzgeber festgesetzt ist, die Mitglieder ein. Diese werden auch hier nach oben genannten Regeln von den wahlwerbenden Parteien nominiert. Die Gemeindewahlbehörde beschließt die Wahlzeiten, die Anzahl der Sprengel, die besondere („fliegende“) Wahlbehörde, behandelt Einsprüche zur Wählerevidenz, setzt eventuelle Sperrzonen fest und übermittelt die Namen der Mitglieder an die Bezirkswahlbehörde. Sie ist auch nach Beendigung des Wahlvorgangs dafür verantwortlich, daß das Gemeindewahlergebnis zuerst telefonisch und dann auch physisch zeitgerecht an die Bezirkswahlbehörde übermittelt wird.
Die Bezirkswahlbehörde
Der Vorsitzende ist der Bezirkshauptmann, in unserem Fall die Bezirkshauptfrau. Sie nominiert einen Stellvertreter und lädt, wieder abgestimmt auf den Zeitplan, sprich dem Wahlkalender, der aufgrund des Wahltermins gesetzlich geregelt ist, die Mitglieder. Diese werden auch hier von den wahlwerbenden Parteien entsandt und in der konstituierenden Sitzung angelobt und damit vereidigt. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Bezirkshauptmannschaft sind unterstützend tätig. Hier wird auch der Ablauf der Wahlhandlung auf Bezirksebene beschlossen und zu Schulungen der Mitglieder der Gemeinde- und Bezirkswahlbehörde geladen.
Am Wahltag nach Auszählung der Stimmen in den Gemeinden nehmen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die Ergebnisse entgegen und überprüfen die rechnerische und sachliche Richtigkeit und stellen sie sortiert nach Gemeinden der Bezirkswahlbehörde zur Verfügung.
Diese tritt am Abend zusammen, um das konsolidierte Bezirkswahlergebnis zu verifizieren und zu beschließen, damit es als vorläufiges Ergebnis an die Landeswahlbehörde weitergeleitet werden kann. Die Wahl ist damit aber noch nicht beendet. Je nach gesetzlichen Gegebenheiten müssen noch die Stimmen der Wahlkarten und/oder die Vorzugsstimmen ausgezählt werden, wenn sie nicht von einer untergeordneten Wahlbehörde gezählt werden müssen. Das kann noch je nach Anzahl bis zu zwei Tage, sprich Montag und Dienstag nach der Wahl in Anspruch nehmen. Dazu werden Teams aus Mitarbeitern der Bezirkshauptmannschaft und mehrehren Besitzern gebildet, die die Stimmen auszuzählen und sortieren. Das beschlossene und unterzeichnete Endergebnis wird dann an die Landeswahlbehörde übermittelt und physisch mit allen Unterlagen zugestellt.
Die Landeswahlbehörde
Der Vorsitzende der Landeswahlbehörde ist der Landeshauptmann oder im Fall von Niederösterreich die Landeshauptfrau oder ein von ihr nominierter Wahlleiter mit Stellvertreter. Die Landeswahlbehörde führt die Oberaufsicht über alle anderen Wahlbehörden. Im Rahmen dieses Aufsichtsrechtes kann die Landeswahlbehörde insbesondere rechtswidrige Entscheidungen und Verfügungen der nachgeordneten Wahlbehörden aufheben oder abändern. Entscheidungen der Wahlbehörden im Berichtigungs- und Beschwerdeverfahren gegen die Wählerverzeichnisse können aber von der Landeswahlbehörde nicht abgeändert werden. Sie übermittelt auch die konsolidierten und geprüften Ergebnisse aus den Bezirken des Bundeslandes an die Bundeswahlbehörde.
Die Bundeswahlbehörde
Die oberste Wahlbehörde ist die Bundeswahlbehörde, deren Vorsitzender ist der Innenminister. Er ist damit der Bundeswahl-Leiter. Alle im Nationalrat vertretenen wahlwerbenden Parteien sind mit zumindest einem Mitglied vertreten. Der Bundeswahlbehörde gehören auch zwei Richterinnen/Richter aus dem Dienst- oder Ruhestand an.
Sie wird anlässlich jeder Nationalratswahl neu gebildet und ist mit der Leitung und Durchführung der Nationalratswahl sowie während der darauffolgenden Legislaturperiode mit der Leitung und Durchführung von Bundespräsidentenwahlen, Europawahlen sowie von Volksabstimmungen, Volksbegehren und Volksbefragungen betraut.
Der Innenminister verkündet das Endergebnis von bundesweiten Wahlen nach Auszählung aller Stimmen, Briefwahlstimmen können je nach Wahl erst später, in den Tagen nach der Wahl ausgezählt werden und erst danach steht das amtliche Endergebnis fest.
Die Briefwahl
Falls du am Wahltag verhindert bist, kannst du per Briefwahl wählen. Du benötigst hierfür eine Wahlkarte. Diese kann bei der eigenen Gemeinde, mündlich oder schriftlich (im Postweg, per E-Mail, über eine Internetmaske, gegebenenfalls auch per Telefax) – beginnend mit dem Tag der Wahlausschreibung – beantragt werden. Auslandsösterreicherin/Auslandsösterreicher können die Wahlkarte auch im Weg einer österreichischen Vertretungsbehörde im Ausland anfordern.
Der Versand der Wahlkarte beginnt knapp drei Wochen vor dem Wahltag. Danach kannst du die Stimme sofort nach Erhalt der Wahlkarte abgeben und musst nicht bis zum Wahltag damit warten.
Die Wahlkarte ist ein verschließbares Kuvert. In der Wahlkarte befinden sich der amtliche Stimmzettel sowie ein blaues, ungummiertes Wahlkuvert. Auf der Wahlkarte findest du die Instruktionen zur Ausübung der Briefwahl. Weiters ist der Wahlkarte ein Informationsblatt angeschlossen. Du musst dafür sorgen, dass die Wahlkarte rechtzeitig bei der zuständigen Bezirkswahlbehörde einlangt, indem du die Wahlkarte ordnungsgemäß unterzeichnet z. B. in einen Briefkasten der Post einwirfst, auf einer Postgeschäftsstelle aufgibst oder bei der zuständigen Bezirkswahlbehörde direkt abgibst.
Es ist auch möglich, sofort am Gemeindeamt zu wählen, dafür wird eine Wahlzelle oder ein eigener Raum zur Verfügung gestellt. Dann kannst du die Wahlkarte gleich am Gemeindeamt abgeben. Diese Wahlkarten werden dann am 9. Juni über die jeweilige Wahlurne im Wahlsprengel den Stimmzetteln hinzugefügt. Im Fall der heurigen Europawahlen und der Nationalratswahl leitet die Bezirkswahlbehörde alle anderen verschlossenen Wahlkarten an die jeweiligen Gemeinden weiter, wo sie dann wie oben in den Sprengeln mit ausgezählt werden.
Von der Stimme zum Mandat
In Österreich gilt das Verhältniswahlrecht, die Anzahl der Mandate pro Partei wird durch das sogenannte D’Hondt-Verfahren ermittelt. Die Anzahl der Mandate ist dabei auf jeder Vertretungsebene gesetzlich festgelegt. Die Anzahl der abgegebenen gültigen Stimmen wird durch diese Zahl der Mandate dividiert, daraus ergibt sich die Wahlzahl. Diese wird dann der Reihe nach auf die Anzahl der Stimmen jeder Partei aufgeteilt, bis alle Mandate vergeben sind. Ein Beispiel dieser sehr kompliziert klingenden, in der Praxis aber recht einfachen Methode kannst du in den Links nachlesen.
Klare Regeln und maximale Transparenz
Meine an manchen Stellen vereinfachte Darstellung zeigt, daß durch die Wahlbeisitzer, die Einigkeit über das Ergebnis in ihrer jeweiligen Wahlbehörde erzielen müssen, und die Wahlzeugen maximale Transparenz gegeben ist. Jede Abweichung von diesen Regeln wird gesetzlich geahndet und kann bis zur Wahlwiederholung führen, was auch schon vorgekommen ist. Es ist daher im Sinn von uns allen, dafür zu sorgen, daß alle Schritte gesetzeskonform ausgeführt werden.
Für alle, die in einer Wahlbehörde tätig sein werden: Diese Zusammenstellung ersetzt NICHT die Unterlagen und Schulungen, die ihr erhaltet oder erhalten habt!
Die Rolle der Vorzugstimmen und welche Rolle Kleinparteien spielen
Als Ergänzung zur aktuellen Nationalratswahl 2024 habe ich hier einen Artikel in der neusten Ausgabe der Niederösterreichischen Nachrichten angefügt, in dem die Politikwissenschafterin Katrin Praprotnik erklärt, wie man ins Hohe Haus kommt.


Links
https://www.oesterreich.gv.at/themen/transparenz_und_partizipation_in_der_demokratie/demokratie-und-wahlen/wahlen/1/Seite.320240.html
https://www.oesterreich.gv.at/lexicon/W/Seite.992454.html
https://www.rechteasy.at/wiki/dhondt-verfahren/
https://www.bmi.gv.at/412/start_Leichter_Lesen_2.aspx
https://www.bmi.gv.at/412/Europawahlen/Briefwahl.aspx
https://www.meinbezirk.at/c-politik/diese-wahlen-stehen-heuer-in-oesterreich-an_a6451303













