Der Sonntag, 30.9.2007 ist mein letzter Tag in Goa. Nach einer Runde zu mehreren Buchten bringt mich mein Fahrer zum Flughafen und es geht nochmals zurück nach Mumbai.
Santiago holt mich wie abgemacht pünktlich um 10 Uhr ab und wir fahren zur ersten Bucht. Ich dachte, ich habe in der meinen insgesamt 5 Wochen in Indien schon alles gesehen, was man am Motorrad transportieren kann, aber hier wir das noch übertroffen. Vor uns fährt ein Bauer auf seinem Fahrzeug, hinten sitzt seine Frau und hält ein frisch geworfenes Kalb im Arm.
Die Bucht selbst wäre ja traumhaft schön, nur irgendwie versteht hier niemand, wenn alles verdreckt ist und wild gebaute slumartige Hütten herumstehen, die ausländischen Touristen wegbleiben, da nützt alles nichts. nach ein paar Fotos fahren wir weiter, die zweite Bucht ist noch ärger, Händler haben die Zufahrt mit ihren Ständen einfach abgesperrt, überall liegt Dreck herum und niemanden scheint das zu stören. Kaum ausgestiegen, werde ich schon von 2 Händlerinnen angequatscht, sie weiß sofort dass ich Deutsch spreche, das hören ihre geschulten Ohren aus meinem Englisch heraus. Sie läuft mir ständig hinterher, Ich kaufe ihr dann doch eine Kette ab, sie verspricht mir, dann mich in Ruhe zu lassen. Dafür glaubt ihre Kollegin, dass sie jetzt dran sei und sie gehen erst weg, nachdem ich lauter und energisch werde. Wie ich in den beiden Tagen gesehen habe, kaufen ihnen die Inder auch nichts ab, sie sagen auch auf meine Frage danach, dass die Inder böse seien.
Diese Eindrücke trüben den Blick auf die schöne Bucht, hier stimmt vieles nicht, es kümmert sich niemand um den Dreck, die Buchten werden mit illegalen Bauten verschandelt, so wird es schwer, die Touristen zu halten. So wie es aber derzeit aussieht, kommen immer mehr Russen hier her, und denen ist das alles egal.
Santiago bringt mich zur letzten Bucht, an der eine bestimmte Schildkrötenart ihre Eier legt. Er erklärt mir, dass während dieser Zeit der Zutritt verboten sei und die Einheimischen das nicht verstehen und das als Einmischung auffassen. Er sei aber froh darüber und meint, dass sein Land und die Menschen hier in dieser Beziehung noch viel lernen müssen. Der Strand ist sehr weitläufig, wir wandern eine Weile entlang, sehen aber leider keine Schildkröten. Hinter einem Fischerboot sitzen einige Fischer und zerteilen einen Fisch in kleine Teile. Santiago erklärt mir, das dieser Fisch ungefähr 3000 Rupies Erlös bringt, der auf alle Anwesenden aufgeteilt werden muss. Ein weiteres Problem ist, dass in den letzten Jahren immer mehr Inder Vegetarier wurden, aber Fisch essen. So bleibt dann unterm Strich für die Einheimischen fast keine Möglichkeit mehr, selbst Fisch zu essen.
Am Rückweg fahren wir an Häusern vorbei, die zwar ganz ok aussehen, nur rundherum herrscht der absolute Dreck. Als Europäer würde man das schon fast als Slum bezeichnen. Santiago erklärt mir aber, dass das eine gute Wohngegend sei, ruhig außerhalb der Zentren, mit Strom und Wasser ausgestattet, also nicht so arm wie es für europäische Augen wirkt. Manchmal steht auch ein neues Auto vor dem Haus.
Heute ist Sonntag und viele Leute sind an den Wasserstellen, die es hier gibt und fischen, entweder mit Netz oder auch mit selbst bebastelter Angel. Die Fische, meistens kleine Sardinen oder ähnliches werden dann zum Trocken auf großen Plastikplanen aufgelegt.
Santiago liefert mich kurz nach 13 Uhr am Flughafen ab, es war sehr beeindruckend, aber andererseits bin ich sicher, dass ich nicht so schnell wieder hierher kommen will, aber das sage ich ihm nicht.
Unser Flug hat eine Stunde Verspätung, ich bin dann froh, wie ich wieder normal in meinem Hotelzimmer duschen kann. Auch wenn das Zimmer in Goa mit 2500 Rupies, das sind rund 45 Euro, nicht übermäßig teuer war, das Preis-Leistungsverhältnis hat nicht gestimmt, dabei war ich in einem Hotel der gehobenen Mittelklasse.
Dieser Blog handelt vom Sightseeing vom katholischen Nationalheiligen zu Hindu-Mandirs, Wasserbüffeln, Shishas und einer Disco mit DJ Ötzi in Goa!
Das Frühstück ist ok, mir hängen zwar die täglichen Cornflakes schon zum Hals heraus, aber andererseits vertrage ich die indischen Gewürze auf nüchternen Magen nicht, wenn ich sie auch sonst noch immer gern esse. Aber auf Schwarzbrot mit Butter und Honig oder ein Schnitzel freu ich mich trotzdem!
Jetzt steht eine Ortserkundung an, außerdem brauche ich ein ATM-Office, das Geld wird schon wieder zu wenig, aber zu viel will ich andererseits auch nicht mehr abheben. Irrsinnig viel Verkehr auf der Dorfstrasse, wie in jedem Fremdenverkehrsort, aber viel chaotischer und lauter durch das ständige Hupen, das hier nicht weniger ist als in Mumbai. Ich entdecke am Hauptplatz einen Hindi-Mandir mit einem schönen Turm davor, so wie ich das in Hyderabad oder Mumbai noch nicht gesehen habe, die haben anscheinend auch ihr Lokalkolorit. Dann gehe ich wieder Richtung Strand und engagiere den ersten Taxifahrer der nicht total penetrant ist für meine Sightseeingtour zu den Kirchen. Wir machen einmal 3 Stunden für 800 Rupies aus, das ist ein fairer Preis hier.
Wir fahren mit seinem Kleinbus aus dem Dorf hinaus, hier muss ich manchmal auch mitbremsen, die Geschwindigkeiten sind höher und es ist trotzdem alles wahnsinnig knapp. Auf einmal bremst der Fahre abrupt, ein kleiner Junge wäre uns fast hineingelaufen, sein Kopf war nur mehr wenige Zentimeter vom Außenspiegel entfernt. Wir sind beide ziemlich fertig und Santiago – so heißt der Fahrer – fährt nun etwas langsamer.
Die Landschaft ist interessant, Palmenwälder, viele Teiche und Seen, Reisfelder und wie ich erst später draufkomme, überall die Sträucher, die die Cashewnüsse tragen. Ich darf nicht vergessen, auch welche zu besorgen, für daheim. Teilweise sind die Strassen schön, aber dann wieder ärger als unsere schlechtesten Feldwege. Das sind die Gegensätze, überall stehen die Menschen herum und telefonieren mit dem Handy, das passt für unsere Augen nicht zusammen. Santiago möchte mit mir mit der Fähre nach Panaj, der Hauptstadt Goas, hinüberfahren, aber da müssten wir eine halbe Stunde warten. Also nehmen wir die Brücke über den Mandovi-River, das ist genauso schön.
Dann erreichen wir Old Goa, wo wir vor der Kirche Basílica do Bom Jesus des St.Francis Xavier (Hl.Franz Xaver) anhalten. Dieser Nationalheilige – ein Portugiese hat den Katholizismus nach Goa gebracht und sein Leichnam ist in der Kirche zu bewundern. Kaum haben wir angehalten sind schon die ersten Frauen da, und innerhalb von Sekunden hab ich schon Kerzen und Blumenkränze gekauft. Die Kirche mit ihren goldenen Altären, die noch prunkvoller als unsere Barockaltäre wirken, ist sehr beeindruckend und im rechten Seitenaltar ist der Sarkophag von St.Francis Xavier integriert. Irgendwie schwer zu verstehen, warum er so verehrt wird, er war, so wie ich erfahren konnte, nicht gerade zimperlich mit den Methoden seiner Christianisierung.
In Goa leben je rund 40% Katholiken und Hindi, der Rest sind Moslems und kleinere Religionen. Aber auch hier – genauso wie in Mumbai scheint das Verhältnis zu den Moslems nicht ganz friktionsfrei zu sein. In Mumbai gibt es aber speziell bei jungen Leuten aller Religionen Bestrebungen, die Religion im täglichen Zusammenleben hintanzustellen. Es ist zu hoffen, dass das auch so Realität wird.
Gegenüber der St.Francis Kathedrale ist der ehemalige Bischofssitz von Goa, der heute eine Galerie mit modernen christlichen Bildern und vielen Statuen aus der portugiesischen Kolonialzeit. Die Kirche ist Franz von Assisi geweiht und hat an die 10 Seitenaltäre, auch wieder prunkvollst mit sehr viel Gold.
Mein Fahrer schlägt vor, noch einen Hindutempel anzusehen und wir fahren Richtung Mangueshi-Tempel. Unterwegs eine lange Straßenbaustelle, wir fahren über rote Schotterpisten. Auf einmal entdecke ich am Straßenrand einen Wassertümpel, in dem es sich einige Wasserbüffel bequem gemacht haben. Die Zufahrt zum Tempel geht wieder durch eine Gasse mit Verkaufsständen, das ist anscheinend religionsunabhängig. Ich kaufe natürlich wieder einen Blumenkranz zum Opfern, hier sind die Frauen bei weitem nicht so aufdringlich.
Dieser Tempel ist genauso wie uns wir in Europa ein hinduistisches Gebetshaus vorstellen. Ein dunkelgrüner viereckiger Teich davor, ein roter Vorbau und eine Stiege zum Hinaufgehen mit einem schönen Tor. Im Innenbereich ist ein riesiger Hof mit einem wunderschönen Tempel in der Mitte und davor auch wieder ein schöner rosaroter Turm. Ich schließe mich den Menschen, die sich segnen lassen wollen an und gebe ebenfalls meinen Blumenkranz ab. Auf die Segnung verzichte ich, nicht nur aus Glaubensgründen, sondern mehr aus hygienischen Gründen, weil man muss das Wasser das man in die Hand geträufelt bekommt, trinken, sonst wirkt es nicht. Und ich möchte die Wirkung auf meinen Verdauungstrakt nicht wirklich wissen!
Beim Hinausgehen werde ich von einem Mönch in rotem Schurz und nackten Oberkörper mit einer riesigen Narbe auf der Brust angesprochen. Er erklärt mir ungefragt den Tempel und wird für mich beten, damit ich für die nächsten 15 Jahre nur mehr Glück habe. Bin gespannt was er dafür will, bin ja schon etwas gebrannt vom Moscheebesuch in Hyderabad. Also muss ich das noch ausnutzen und mir noch mehr zeigen lassen. Er bringt mich zu einem Seitentrakt wo, die Fahrzeuge für die Umzüge stehen, dort stehen ein bunt bemalter Elefant und ein riesiger Prunkwagen aus Holz, dessen Räder rund 2m Durchmesser haben. Dahinter ist ein weiterer Wagen, der nur um ein Drittel kleiner ist. Mein Mönch lässt sich auch fotografieren und mach auch ein Foto von mir. Dann hält er die Hand auf und ist nach 200 Rupies zufrieden, im Vergleich zu Santiago hat er sich sein Geld leicht verdient!
In der Touristenkarte habe ich einen Wasserfall entdeckt und frage ob wir den auch ansehen könnten. Santiago erklärt mir, dass der jetzt wegen der Regenfälle zu groß sei. Aber er kennt noch einen Zweiten, der ohne zu großen Umweg zu erreichen ist. Der Weg dorthin geht etwas mehr in die Hügel des Hinterlandes über steile Straßen, manchmal liegen auch die Kühe mitten auf der Straße, wir schlängeln uns durch.
Genauso faszinierend ist, dass die wild lebenden Hunde auf der Strasse liegen und normalerweise nicht überfahren werden. Nur manchmal gibt es böse Stürze von Motorradfahrern, die zu wenig acht geben. Da gibt es noch eine weitere Falle. An allen Stellen, die langsamer zu befahren sind, gibt es, obwohl der generelle Straßenzustand sowieso katastrophal ist, sogenannte „Speedbreaker“ die so hoch sind, dass man nur im Schritttempo drüber fahren kann. Manchmal sind sie angekündigt, meistens entdeckt man sie im letzten Moment. Das kann dann am Moped peinlich werden.
Wir kommen an einer Kirche vorbei, wo anscheinend gerade die Braut Fotos mit ihren Brautjungfern macht und ich ersuche Santiago, stehenzu bleiben, damit ich sie auch fotografieren kann. Sie freuen sich anscheinend sehr, daß sich ein Europäer für sie interessiert.
Nach einer guten halben Stunde sind wir angekommen, beim Wasserfall gibt es einen Tempel, der den Schlangengöttern geweiht ist, da muss ich nicht wirklich hinein. Der Wasserfall selbst führt derzeit so viel Wasser, dass man gar nicht bis an das Geländer heran kann, ohne bis auf die Haut nass zu werden. Er geht sofort in einen kleinen Fluss, dessen Wasser nicht schmutzig, sondern von der roten Erde braun gefärbt ist, über. Ich erinnere mich an den Wasserfall mitten im Wald im Maltatal, so stellt man sich einen einsamen europäischen Wasserfall vor, der hier ist schon knapp an unseren Vorstellungen, wie so etwas im Regenwald aussieht.
Dann geht’s wieder zurück nach Calangute, unsere Runde hat dann doch 5 Stunden gedauert. Ich bestelle Santiago aber auch gleich für morgen, er soll mir noch einige Strände zeigen und mich dann zum Flughafen bringen.
Eine kalte Dusche (nicht weil ich es will, das Wasser wird einfach nicht warm) macht mich wieder fit und ich bin wieder unterwegs, lasse mir verschiedenste Souvenirs aufschwatzen. habe sicher zu teuer gekauft, aber das ist das Los der ausländischen Touristen. Am Strand werde ich auch von verschiedenen Verkäufern angequatscht, ich bleibe standhaft, bis ein junges Mädchen mit Charme und ohne wirklich aufdringlich zu sein (zumindest im Vergleich zu allen Anderen) mich doch weich bekommt und ich ihr einige Armbänder abkaufe. Dafür mach ich aber auch noch ein Foto von ihr und ihrer Mutter, sie freut sich drüber. Wie ich es mir gedacht habe, werde ich dann weiter von einem anderen Verkäufer verfolgt, auch ihm kauf ich dann doch noch was ab.
Aber das reicht mir jetzt, ich wandere weiter und hab dann doch Ruhe, irgendwie funktioniert die Kommunikation innerhalb dieser Art Mafia ziemlich rasch. Ich genieße den Strandspaziergang, bis es dunkel wird, auch wenn das allein nur halb so viel Spaß macht und der Kopf durch die Erlebnisse mit den Strandhändlern nicht wirklich frei wird. Am Rückweg setze ich mich dann wieder an die Strandbar mit den Shishas. Zuerst esse ich noch eine Kleinigkeit, dann bestelle ich mir auch eine Wasserpfeife. Ich bin gespannt, wie es mir ergeht, nachdem ich nichts mehr rauche und die letzte Wasserpfeife auch schon an die 10 Jahre her ist.
Aber ich fühle mich gut dabei, es schmeckt und ich hab keine Probleme, so hab ich mir das vorgestellt. Es ist ja fast kitschig, Goa, Sandstrand, ein Bier, Sonnenuntergang und die Zehen im Sand! Es wird rasch stockfinster, heute ohne Regen, da kommt ein Feuerkünstler und schleudert seine Feuerbälle, das wirkt hier am Strand. Nachdem die Glut für die Pfeife zweimal gewechselt wurde, ist sie nun nach einer Stunde wirklich aus und ich mach mich wieder auf den Weg. Heute ist auch eine Herde Kühe am Strand, wirkt für Europäer sehr eigenartig!
Nachdem es mir gestern so geschmeckt hat, gehe ich wieder in das gleiche Restaurant, so wirklich viele sehr Vertrauen erweckende gibt’s ja doch nicht. Die gemischte Meeresfrüchteplatte ist dann wirklich ein Genuss, und das heißt etwas bei jemandem, der bei Fisch eher reserviert ist. Der Preis ist aber für indische Verhältnisse heavy.
Es ist noch nicht allzu spät, ich gehe wieder Richtung Strand, dort scheint es heute eine Disco auch zu geben, das sehe ich mir an. In einem riesigen Restaurant gibt es in der hinteren Ecke eine Tanzfläche, die gesteckt voll ist. Kaum bin ich drin, traue ich meinen Ohren nicht, der nächste Song ist „Hey Baby“ von DJ Ötzi, und alle scheinen es zu kennen! Nach einer Weile ist es vorbei mit der Disco, dafür kommt eine sehr hübsche junge Inderin mit Livegesang von verschiedenen westlichen Hits, die Gäste sind begeistert. In der Zwischenzeit hat es wieder zu schütten begonnen, ich aber halbwegs trocken zurück.
Nachdem sie zu singen aufgehört hat, geh ich auch ins Hotel, es ist eh schon Mitternacht vorbei und es tröpfelt nur mehr ganz leicht. Gleich nach dem Ausgang versperren einige Hausschweine den Weg, die sich hier ihr Nachtmahl suchen. Kaum bin ich dann nach 10 Minuten im Zimmer, schüttet es wieder los, wie wenn man Kübel ausleert. Ich bin froh, drinnen zu sein!
Wie ich an den Sandstränden von Goa vom Nepal bis zum Matterhorn kam, erzähle ich in diesem Blog.
Abfahrt zum Flughafen, mein Flug geht um 12 Uhr, ich starte mit meinem Taxifahrer, einem Moslem um 11 Uhr vom Hotel. Er erzählt mir alles Mögliche, was ihm an Indien nicht passt, dass er Frieden möchte, dass die Politiker alle korrupt sind und so weiter. Wir fahren an einer Gruppe von Frauen in den tollen bunten Saris vorbei. Da meint er, die indischen Frauen sein zu sexy und haben deswegen zu viele Kinder. Nun weiß ich, dass jede weitere Diskussion, die eigentlich positiv begonnen hat, sinnlos ist. Nachdem das jetzt schon der zweite Taxifahrer mit einer ähnlichen Aussage ist, verstehe ich keine Frau mehr, die „freiwillig“ den Schleier oder ein Kopftuch trägt, schon gar nicht in Europa.
Dann bin ich endlich am Flughafen, checke ein und es wird bereits bekannt gegeben, dass wir 40 Minuten Verspätung haben, das Wetter ist zu schlecht, es schüttet was runter geht. Aber dann ist es so weit, ich starte nach Goa! Ich bin gespannt, was mich erwartet, meine Kollegen haben mir ja alle zugeredet, diesen Ausflug zu machen, und in Europa hat man so ein verklärtes Hippie-Verständnis von dieser Region.
Die Jet Air wirkt nicht wie eine Billigfluglinie, sondern eher wie die Luxusausgabe von Air Berlin und wir landen pünktlich nach einer Stunde Flugzeit. Ich muss gleich versuchen, meine Tochter anzurufen, sie ist ebenfalls am Flughafen, aber in Schwechat, und mit der Schule unterwegs nach Irland. Aber egal, welchen Provider ich versuche, ich bekomme keine Verbindung, obwohl ich vollen Empfang habe. Also schicke ich ihr rasch eine SMS, hoffentlich bekommt sie wenigstens die.
Dann buche ich ein pre-paid Taxi, das finde ich am angenehmsten hier, wenn man sich nicht auskennt, auch wenn es etwas teurerer ist. Mein Fahrer ist ein junger Mann, der sich sofort als Christ „outet“, aber das habe ich so auch schon bemerkt, weil er einen beleuchteten Jesus am Armaturenbrett hat, die Hindi haben da alle einen Ganesha oder einen ähnlichen Gott stehen. Er erzählt mir, dass er 4 Schwestern hat, zwei davon sind bereits verheiratet, 2 noch nicht, und solange er keinen Mann für die beiden habe, könne er keine Freundin haben und heiraten sowieso nicht.
Er bringt mich wie gewünscht nach Calangute, dem Ort, der mir empfohlen wurde. Der Weg führt durch interessante Landschaften, über einen riesigen Fluss, vorbei an einer Werft, aber auch an Beinahe-Slums. Er zeigt mir 3 verschiedene Hotels, am Ende fahren wir zum zweiten zurück, das sagt mir vom Zimmer her und auch von der Anlage am meisten zu und kostet 2500 Rupies pro Nacht.
Also rasch hinein in die Short und dann auf zum Strand, es ist zwar nicht gar so schön, es könnte jederzeit regnen, aber das stört bei 30 Grad nicht so. Anders als bei uns liegt hier niemand richtig am Strand, die Leute stehen angezogen herum, marschieren hin und her und gehen voll bekleidet bis zu den Knien ins Wasser. Nur vereinzelt sieht man Männer nur in einer Short. Badehosen und Badeanzüge für die Damen überhaupt sind anscheinend bei den Indern – egal welcher Religion – verboten oder unbekannt.
Nachdem ich Durst habe und ja zum Relaxen da bin, setze ich mich bei einer Strandbar unter einen Sonnenschirm und bestelle ein großes Kingfisher-Bier. Daneben findet gerade ein Beachvolleyball-Turnier statt, veranstaltet zum „Int.Tag des Tourismus“ unter dem eigenartigen Motto „Mehr Zugang für Frauen im Tourismus“. Aber die Spieler und Spielerinnen sind trotzdem mit Begeisterung dabei. Als es dunkel zu werden beginnt, wandere ich am Strand Richtung Norden. Vom Sonnenuntergang ist leider nicht viel zu sehen, immer steht genau eine dunkle Wolke davor.
Ich setze mich am Retourweg in bei einer anderen Bar hin und bestelle mir eine Cola, Bier habe ich momentan genug. Hier gibt’s auch eine Wasserpfeife, vielleicht genehmige ich mir morgen eine, heute habe ich etwas Kopfweh. Nachdem ich nicht mehr rauche und die letzte Wasserpfeife auch schon rund 10 Jahre vorbei ist, weiß ich nicht wie mein Körper drauf reagiert. Die Boys sind sehr neugierig und wollen wissen – wie so oft vorher schon – von wo ich komme und wie ich heiße. Sie erzählen mir, dass sie aus Nepal, genauer aus Katmandu kommen und hier 6-10 Monate arbeiten. Das muss ich meiner Tochter erzählen, die ja heuer auch 2 Monate in der Schweiz gearbeitet hat. Die indische Botschaft in Kathmandu schätzt laut Kathmandupost, dass fast 8 Millionen Nepalesen in Indien leben und arbeiten.
Dann geht’s weiter zur nächsten Strandbar, kurz vor Aufgang in den Ort. Eine Inderin, sehr hübsch, mit kleinem Jungen, stellt vom Nebentisch die üblichen Fragen, und sie empfiehlt mir, die Kirchen von Goa anzusehen. Da kommt auch schon ihr Mann, der sich ein Henna-Tatoo machen hat lassen und unser Gespräch ist zu Ende. Kaum ist das Bier gekommen, fängt es an zu regnen. Alle laufen so rasch wie möglich unters Dach, ziemlich urig hier. Ich habe gleich wieder einen Tisch vor mir, aber nachdem es so schüttet, bleibt das Dach nicht dicht und ich muss noch weiter hinein wandern. Dort komme ich mit einem indischen Paar ins Gespräch, die hier einen Kurzurlaub verbringen. Sie kommen aus Dehli, er hat dort eine Papiererzeugung mit mehr als hundert Mitarbeitern. Ihn fasziniert sofort mein Name, lautmalerisch „Reynold“, weil das eine indische Kugelschreibermarke sei, wie auf sein Nachfragen gleich alle Kellner bestätigen.
Dann gehe ich Richtung Hotel und versuche noch ein Restaurant zu finden. Da sehe ich ein eher besser wirkendes, die Tische mit roten Tüchern gedeckt und auch sonst sehr gepflegt und sauber. Die Kellner sehen nicht indisch aus, eher koreanisch oder chinesisch. Nachdem mich einer der Kellner fragt, von wo ich komme, frag ich auch und erfahre, dass sie Inder seien, aus Darjeeling, das ist irgendwo im Nordosten von Indien, jedenfalls rund 7 Tage mit dem Zug entfernt. Es scheint, in Goa gibt’s viele Gastarbeiter. Das bestellte Hühnerbrust-Pfeffersteak ist auch lecker. Da entdecke ich etwas Skurriles: an der Wand hängen gerahmt 2 alte Poster mit dem Matterhorn und Zermatt – das ist ein Foto wert.
Aus dem Nachbarlokal tönen eigenartige Gesänge, nicht ganz richtig gesungene Hits aus älterer Zeit, das muss ich mir ansehen, nachdem es eh schon wieder zu regnen begonnen hat und ich noch nicht ins Bett mag. Es stellt sich heraus, dass sich eine Gruppe älterer EngländerInnen im Karaokegesang übt, zeitweise ziemlich arg, aber lustig, wie sie mit Begeisterung bei der Sache sind. Damit hab ich mit meinen verklärten Vorstellungen von Goa nicht gerechnet!
Ich komme dann doch trocken ins Hotel, erst kurz vor dem Einschlafen beginnt der Regen wieder und am frühen Morgen ist es so arg, dass ich davon geweckt werde.
Dieser letzte Tagebucheintrag ist der einzige, der nicht bereits im Jahr 2007 entstanden ist. Den letzten Tag im Capgemini Office überspringe ich und berichte 17 Jahre später nur mehr von der Besichtigung der größten Moschee von Mumbai, bevor der Flug heim geht.
Haji Ali Dargah
Die Moschee Haji Ali ist das größte Sehenswürdigkeit in Mumbai, daher ist sie am letzten Tag meines Aufenthalts in Mumbai auf meiner ToDo-Liste.
Die Moschee, die im 19. Jahrhundert erbaut wurde, liegt auf einer kleinen Insel vor Mumbai und ist nur über eine Art Damm zu erreichen und steht jeder Religion offen.
Das Inselmausoleum beherbergt den Sarg von Pir Haji Ali Shah Bukhari, einem muslimischen Heiligen, der während einer Pilgerreise nach Mecca verstarb. Der Legende zufolge schwamm der Sarg mit dem Verstorbenen auf wundersame Weise über das Meer und endete an der Küste von Mumbai. Diesem größten islamischen Heiligen seiner Zeit zu Ehren wurde die Moschee Haji Ali erbaut. Die Haji Ali Dargah ist ein indo-islamisches, architektonisches Meisterwerk und zieht jährlich tausende von Pilgern und Besuchern in ihren Bann.
Das wunderschöne Kuppelgebäude mit dem herrlichen Minarett, das atemberaubend schön geschmückte Innere der Moschee Haji Ali ist einen Besuch auf jeden Fall wert.
Was man als Europäer auch nicht übersehen kann, sind die Bettler und Geldwechsler am Damm hinaus zur Moschee. Die Bettler haben alle möglichen Verkrüppelungen oder sind geistig gehandikapt. Sie warten auf die Almosen der Pilger und Touristen und hier kommen die Geldwechsler ins Spiel. Da die wenigsten Menschen hier 10-Rupies-Münzen in der Geldtasche haben, wechseln sie einen 100-Rupies Schein auf 9 Stück 10 Rupies-Münzen. 10% Kommission – ich denke es ist klar, wer hier wirklich verdient.
Ich bin nach diesen Wochen in Mumbai mit all den Eindrücken, den freundlichen, lebensfrohen Menschen, wo sehr viele danach brennen, mehr zu erreichen und in irgendeiner Form weiter zu kommen, noch immer überwältigt.
Die vielen Farben, Gerüche und Laute lassen einen nicht so einfach aus, aber der extreme Unterschied zwischen arm und Mittelklasse ist für europäische Augen auf Dauer auch nur sehr schwer zu verkraften. Von den wirklich Reichen, die es in dieser Millionenstadt ebenfalls zu tausenden gibt, spreche ich nicht, da ich die nicht wirklich gesehen habe.
Das gleiche gilt auch für die Umweltsituation nicht nur in der Millonenmetropole Mumbai, sonder auch im Umland und auch in Goa, die auch für uns Europäer unvorstellbar ist, hier muß noch vieles passieren, wobei da das Wachstum des Landes und der Wirtschaft die Sache nicht einfacher macht.
Der letzte Kurstag im September 2007 wird nochmals zur Diskussion über kulturelle Unterschiede genutzt, Mailadressen getauscht und Erinnerungsfotos werden gemacht. Nach einigen Stunden sind auch meine Tickets für mein Goa-Wochenende endlich da.
Heute ist der Tag des Abschieds, unser Kursleiter redet uns nochmals ins Gewissen und baut uns trotzdem auf. Ich werde auch gefragt und lobe unser gutes Klima und die Zusammenarbeit in der Gruppe, wir besprechen aber auch einige der Unterschiede zwischen Indien und Europa, und wo jede Seite lernen muss, darauf zu achten. Unser Kursleiter spricht genau dieses Thema der Unverbindlichkeit an, das mich in den letzten Tagen oft innerlich zum Kochen gebracht hat. Dann geht’s ans Verabschieden, alle wünschen sich gegenseitig das Beste, die Mailadressen sind ausgetauscht.
Eine Kollegin, Chetna, möchte sich noch schnell mit mir fotografieren lassen. Die anderen hänseln sie, soweit ich das mitbekommen habe, schon seit Tagen und sagen mir dann, sie habe sich in mich verguckt. Aber beim Verabschieden ist sie dann im Gegensatz zu den letzten Tagen ganz schüchtern und winkt nur kurz bei der Tür und ist schon weg.
Fabian bietet mir an, den Flug nach Goa über Genovate zu buchen, man sieht, er möchte wieder einiges gut machen. Ich nehme dankend an, warte aber dann doch rund 4 Stunden, bis die Internet-Tickets da sind. Ich sitze in der Zwischenzeit halt alleine noch da und schau mir die Customizing-Schirme durch. Fabian gibt mir dann noch die Telefonnummer eines Freundes in Goa, an den ich mich morgen wenden soll.
Der Schneider ist auch mit dem Anzug fertig, ich bin gespannt, wie er passt, nachdem ich gestern bei der Anprobe mit der Jacke noch recht unzufrieden war. Man merkt die Nervosität, aber ich fühle mich gleich wohl und dem Schneider ist auch leichter. Nachdem ich draußen bin, stecken alle die Köpfe zusammen, man sieht förmlich die Erleichterung, weil ich zufrieden bin. ich muss innerlich lachen, er hat ein ähnliches Erfolgserlebnis wie wir nach einem erfolgreichen Golive!
Und morgen gehts nach Goa, was mich da wohl erwartet?
In diesem weiteren Blog zu meinem Mumbai-Aufenthalt 2007 erzähle ich von einem Umzug aus tausend Fronleichnamsprozessionen gleichzeitig, vermischt mit einem Rave beim Ganesh Visarjan, wo nach dem 10-tägigen Fest Ganesh Chaturthi tausende Ganesha-Statuen im Arabischen Meer versenkt werden.
Ich habe gerade was falsch gemacht und meine literarischen Ergüsse nicht gespeichert. Eine Stunde Schreiberei einfach weg, da brauch ich einen Schluck Whiskey, bevor ich nochmals anfange, auch wegen der Verdauung. Mit der hatte ich aber hier eh noch keine Probleme.
Mein Stammtaxifahrer wartete schon auf mich. Es ist ein älterer Mann mit weißem Haar und Bart und einem unaufgeregten Fahrstil, er kommt auch mit wenig Hupen aus. Er entschuldigt sich sogar, dass er gestern nicht da war und beklagt sich über die anderen undisziplinierten Autofahrer und Fußgänger. Diese gehen zu mindestens 2/3 auf der Fahrbahn, auch wenn der Gehsteig begehbar wäre. Dieses Verhalten ist noch ein Überbleibsel aus einer Zeit, wo hauptsächlich Ochsenkarren unterwegs waren, die man heute aber nur mehr vereinzelt in der Stadt sieht. Es passt aber nicht zu dem Verkehrschaos dieser Millionenmetropole.
Gestern habe ich mich bei Fabian von Genovate (dem Kursveranstalter) erkundigt, wann und wo ich am Freitag meine Prüfung haben werde. Er hat mich auf heute vertröstet, muss ihn daher nach der Mittagspause gleich besuchen. Unser Kursleiter teilt uns zu Beginn mit, dass heute bereits um 15 Uhr Schluss sei, es ist nämlich der letzte Tag des Ganesh-Festivals, das Ganesh Visarjan.
Auch ok, dann werde ich halt im Hotel weiterlesen, denke ich mir. Nach der Mittagspause teilt mir Fabian mit, daß er mit heute nichts sagen kann, es sei ja Ganesh-Feiertag. Jetzt bin ich aber gespannt, was mein Schneider machen wird, der mich auch von gestern auf heute Abend für die Anzuganprobe vertröstet hat. Meine indischen Kurskollegen lachen nur und meinen, dass sicher zugesperrt sein werde. Und das wissen die nicht alle schon gestern? Mein (Vor-)Urteil wird wieder bestätigt, dass die Inder nicht Nein sagen, um in keine Konfrontation zu kommen. Wenn dann etwas nicht hält, sind sie ja dann eh nicht dabei und haben mich mit ihrem Nein nicht enttäuscht. Immer wieder so aufzulaufen, damit kann man als Europäer nur sehr schwer umgehen und das macht die Zusammenarbeit über alle Kulturen und Zeiten und Entfernungen hinweg nicht wirklich einfach.
Am Heimweg macht der Taxifahrer einen Umweg, er meint die Straße sei verstopft. Als ob das etwas Neues wäre! Erst als wir zu Kreuzung beim Mumbai Central Bahnhof kommen, weiß ich, was er meinte. Tausende Menschen tanzen und singen, machen Musik mitten auf der Straße und dazwischen fahren die LKWs in allen Größen mit den Ganeshas in allen Größen. Ich gehe rasch zum Internetpoint und rufe meine Mails ab und skype mit Evi, dann geht’s ins Hotel, ich will ja weiterlernen. Das ist aber leichter gesagt als getan bei diesem Lärm. An den normalen Verkehrslärm und das Hupen habe ich mich ja schon gewöhnt, aber das schlägt alles. Ich beschließe daher, mich auch ins Geschehen zu stürzen.
Man wird von diesem Sog sofort mitgezogen, aber nicht auf ungute Art, es passiert einfach. Als ich zu fotografieren beginne, bin ich sofort von einer Schar von Kindern umringt, die herumtollen und unbedingt auf ein Foto wollen. Ich mache ihnen natürlich den Gefallen, und sehe dann zu dass ich weiterkomme. Auf einmal bin ich auch mitten in eine Gruppe hineingezogen, ich erhalte ein oranges Band um die Stirn gebunden, den roten Strich auf die Stirn, die rote Farbe über den Kopf, und soll mittanzen. Also Hände in die Höhe und 20 Sekunden mitwiegen, dann reichts, sonst komme ich nicht mehr raus aus der Gruppe, wenn ich mich zu sehr „anfreunde“.
Auf den Fahrzeugen sind Ganeshas in allen Größen, eine prächtiger wie der andere. Und jedes Auto wird von einer singenden, tanzenden Menschengruppe begleitet, und je lauter man ist desto besser. Das alles erinnert an tausend Fronleichnamsprozessionen gleichzeitig, vermischt mit einem Rave, also eigentlich unvorstellbar. In der Zwischenzeit ist der Akku der Kamera leer, also gehe ich zum Hotel zurück, ich möchte ja auch noch versuchen, meinen Anzug zu probieren. Die rote Farbe geht beim Duschen überraschend leicht runter, das T-Shirt muss in die Wäsche. Die Shoppingmall ist geschlossen, mein Urteil ist wieder einmal bestätigt. Warum kann der Schneider am Vorabend nicht sagen, dass es da nicht geht, aber… siehe oben!
Während der Akku noch auflädt, versuche ich in den Kursunterlagen zu lesen, aber gebe bald auf, es ist einfach zu laut. Dann geht’s wieder hinein ins Geschehen. Der Lärm, die Farben, die Gerüche, der Gestank, es ist unmöglich das alles so wiederzugeben, wie es wirklich ist, sogar die Fotos sind nur ein müder Abklatsch dessen, was sich hier abspielt. Ein Ganesha ist schöner (wir Europäer würden auch meinen, kitschiger) als der andere und ich fotografiere und fotografiere. Und wieder bin ich mitten in einer Gruppe, muss mittanzen und versuche, wieder herauszukommen, ohne unhöflich zu sein. Immer wieder muss ich noch einmal abdrücken, alle freuen sich dann.
Mittlerweile ist schon mehr als eine Stunde vergangen und ich bin schon recht weit gegangen, das Gedränge wird immer größer, aber es dürfte trotzdem noch ein schönes Stück bis zur Bucht von Chowpatti sein, also drehe ich um, ich will noch vor Mitternacht im Hotel sein, sonst kann ich mich morgen Vormittag nicht wach halten. Da nützt selbst das Redbull mit der Dose aus Enzesfeld, produziert nur einige 100m von mir daheim entfernt, nichts. Unterwegs frage ich zur Sicherheit einen Polizisten nach dem Weg, verirren möchte ich mich in dem Chaos, wo man kein Taxi bekommt, hier nicht. Er erklärt es mir höflich und genau und ruft mich dann nochmals zurück und bittet mich auch ihn und seine Kollegen zu fotografieren, sie würden nie auf einem Bild sein. Wie immer werde ich gefragt von wo ich komme und muss den Unterschied zwischen Austria und Australia klären, wie heute mindestens schon zehnmal.
In meinem Aufzug werde ich von den Einheimischen wohlwollend bestaunt, besonders die Frauen finden das anscheinend toll, das sieht man an ihrem verschmitzen Lächeln und den blitzenden Augen, die nicht ausweichen, aber gar zu offensichtlich darfs auch nicht sein. Ich bin dann doch froh, beim Hotel zu sein und dem Trubel zu entkommen und schlafe trotz des Lärms rasch ein.
Ein Ziel meiner Mumbai-Reise im September 2007 war auch, die Kollegen meines indischen Teams kennenzulernen. Da das während des SAP-Kurses während der Woche nicht möglich war, vereinbarten wir ein Treffen am Sonntag-Nachmittag in ihrem Office. In einem ehemaligen Industriekomplex wurden die Fabrikationshallen in Büros umgebaut, aber in anderen Dimensionen als wir in Europa gewohnt sind. Hier arbeiteten hunderte Menschen in einem Großraumbüro ohne natürlichem Licht, nur getrennt durch körperhohe Paravents.
Heute ist Sonntag, ich habe mich einmal ausgeschlafen und bin erst um ½ 10 zum Frühstück. Dann überwinde ich mich und arbeite mich nochmals durch das Pricing und alles seine Parameter, schließlich will ich die Prüfung am Freitag ja auch schaffen!
Um 12:30 muss ich dann wegfahren zum Capgemini Office, das ca. 30 km außerhalb im Nordosten vom Mumbai liegt. Wir fahren mit dem Taxi wieder an Lalbaugh Cha Raja vorbei, die Menschenschlange ist heute – ohne Übertreibung – kilometerlang, da hätte ich mich sicher nicht mehr angestellt!
Dann geht’s vorbei an relativ schönen Häusern (verglichen mit dem, was ich bisher in Mumbai gesehen habe) und dann wieder fast slumartigen Siedlungen, bis wir dann auf den Eastern Express Highway kommen. Hier gibt’s sogar markierte Fahrspuren und ganz wenig Verkehr, drum hält sich auch keiner an die Spuren und der nachkommende Fahrer hat wieder einen Grund zu hupen, sonst wäre es ja halb so spannend.
Bei meinem Taxi beträgt die Höchstgeschwindigkeit maximal 40 km/h, das hält den Fahrer aber nicht davon ab, auf der ganz rechten Spur (hier ist Linksverkehr!) zu fahren, was natürlich die Nachkommenden zum Hupen zwingt…
Endlich kommen wir in die Gegend von Vikhroli, das Godrej Memorial Hospital wird auch schon angekündigt, da muss ja dann auch der Godrej Industrial Complex nicht weit sein. Der Fahrer weiß jetzt nicht genau wo er hin soll und daher soll ich ihm es erklären. Ich versuche ihm klarzumachen, dass eigentlich er der Ortskundige sein sollte und nicht ich, bis er abbiegt und bei einem Tor einen Security fragt, der uns dann eine Ausfahrt zurückschickt. Richtig, da ist auch Capgemini auf der Tafel zu finden. Der Fahrer fährt in das Areal hinein, bis er wieder von einem Security gestoppt wird, der ihn zum Umdrehen zwingen will. Ich mache ihm klar, dass wir genau richtig sind und hier aussteigen will, er ist aber total fertig, anscheinend weil er mich nicht bis vor die Tür fahren kann. Dafür verlangt er dann 350 Rupies, das ist der höchste Betrag, den ich bis jetzt im Mumbai bezahlt habe.
Der Security bringt mich zum Wächterhäuschen, wo ich mich in eine Liste eintragen soll, und auf die Tafel hingewiesen werde, dass das Fotografieren verboten ist. Schade, denke ich mir später, ich hätte so gern die Kläranlage vor dem Eingang zu Capgemini 1 auf meinen Chip gebannt! Unser Mitbewerber, Accenture, ist auch ein paar Häuser vorher da, Sony hat auch ein Büro hier, das ganze Gelände wirkt aber mehr wie ein Schwerindustriekomplex als eine Software-Schmiede. In der Eingangshalle gibt es zwar die vertrauten Poster genau wie in Wien, aber sonst wirkt es trotzdem, schwer zu erklären, woran das zu erkennen ist, richtig indisch.
Der Security kann mit dem Namen Swapnil „XX“ – so heißt mein Kollege – überhaupt nichts an und weiß nicht was er mit mir machen soll. Ich will ihn gerade am Handy anrufen, da kommt er bei der Tür herein. Bevor wir weitergehen dürfen, wird noch die Seriennummer meines Notebooks in die Besucherliste eingetragen, damit ich kein neueres heraustrage.
Eine riesige Halle mit vielen Kojen zeigt sich nun, es ist schwer abzuschätzen, wie viele Menschen hier arbeiten. Swapnil führt mich durch und über eine Stiege in den 1.Stock wo es ein bisschen kleiner und übersichtlicher ist, zu seiner Koje, die wie alle anderen auch, mit 4 Arbeitsplätzen ausgestattet ist. Ich kann mich auf den Platz von Abdul setzen, wir starten unsere Notebooks und Swapnil lädt mich zu einem kleinen Rundgang und etwas zu trinken ein. Als Europäer ist es schwer vorstellbar, hier dauernd zu arbeiten, ich glaube ich würde einen Koller bekommen, dabei ist heute am Sonntag fast niemand da. Bin schon gespannt, wie das nächsten Montag wird.
Wir gehen dann die nächsten Stunden alle seine Fragen zum griechischen Demerger-Projekt durch, es ist wirklich gut, so zusammenzuarbeiten. Ich bespreche dann auch unsere Kommunikationsprobleme, die wir immer wieder haben, weil ich in Wien immer wieder das Gefühl habe, dass sie nicht auf meine Anfragen reagieren. Ich hoffe, dass wir das so auch einmal klären können. Aber zum Thema Kommunikation werde ich später nochmals etwas schreiben.
Swapnil macht mit seinem Auto, einem kleinen Hyundai, noch eine Runde und zeigt mir noch Mumbai 2, die beiden weiteren Gebäude (3+4) liegen auf der anderen Seite der angrenzenden Bahnlinie, da kommt man anscheinend nicht so einfach hinüber. Er bringt mich einige Kilometer bis zum nächsten Taxistandplatz, von wo ich dann wieder in die Stadt zurückfahren kann. Er hat mir auch noch erzählt, dass Accenture für einem Consultant von Capgemini bis zu 50% mehr Gehalt bezahlt, weil jeder weiß, dass die Ausbildung der Capgemini-Mitarbeiter über dem üblichen Niveau ist, dafür aber relativ schlecht gezahlt wird.
Am 22.9.2007 ist das Verkehrschaos in Mumbai noch größer als sonst, weil tausende Ganeshas in der Chowpatty Beach rituell versenkt werden. Natürlich musste ich da die halbe Nacht dabei sein, wie ich in diesem Tagebucheintrag beschreibe. Ein Rezept für ein veganes Biryani, und ein Chinesisches Huhn mit Gemüse, womit ich meinen Hunger gestillt habe, ist ebenfalls dabei.
Die letzten Tage habe ich es nicht geschafft etwas zu schreiben, obwohl doch einiges passiert ist.
Am Donnerstag spielte es sich noch mehr als üblich auf den Strassen ab, alle möglichen und unmöglichen Fahrzeuge waren mit weit mehr Menschen besetzt unterwegs, um die mittelgroßen Ganeshas zum Meer zu bringen und dort beim sogenannten Ganesh visarjan, (immersion,Versenkung) und zu versenken.
Da musste natürlich gefeiert werden und alle trafen sich dazu an der Kreuzung beim Mumbai Central Bahnhof auf dem Weg zur Chowpatti Beach.
Nachdem ich vom Internetpoint zurück war, habe ich mich sofort mit dem Fotoapparat bewaffnet und bin wieder zurück und mitten ins Geschehen hinein. Die Polizei hat in der Zwischenzeit begonnen, den Verkehr um die Feiernden herumzuleiten, was natürlich zu noch mehr Hupkonzerten führte als es eh sonst schon war. Dazu kam das ohrenbetäubende Trommeln und dazu ein Pfeifen und eine Art Gong wurde auch mit einem Hammer geschlagen, einfach unbeschreiblich laut!
Alle tanzen, der Lastwagen, der dort steht hat mindestens 10 Ganeshas drauf, dazwischen sitzen die Menschen und feiern und hinten folgt noch eine Prozession tanzender Menschen. Das Ganze wird noch von einem riesigen starken Scheinwerfer vom Dach des Lastwagens aus beleuchtet. Dazu habe sie sogar ein fahrbares Notstromaggregat angehängt.
Und immer wieder überholen andere Fahrzeuge, die jungen Leute sitzen praktisch überall, sogar am Dach der Lastwagen, es wundert mich, dass niemand in diesem Chaos herunterfällt. Immer wieder kracht es und irgendwo wird eine Leuchtrakete abgeschossen.
Vor dem Zug legen jetzt 2 Männer etwas aus, was ich erst am Schluss, als eine mindestens 10 Meter lange Reihe von Krachern erkenne. Schon beginnt man es anzuzünden, das braucht 3 oder 4 Versuche, dann beginnt die Schlange unter lautem Getöse und Rauch zu entzünden.
Am Straßenrand, hier am Eingang zu einem Markt, stehen die Leute und sehen zu, auch an jedem Fenster an der Straße steht jemand. Jeder, ob jung oder alt, will an diesem Spektakel teilhaben. Jetzt weiß ich auch, woher viele Leute so rot im Gesicht und auch auf der Kleidung sind, einer aus der Gruppe streut aus einem Kübel ein rotes Farbpulver über die Anderen, das sieht fast gespenstisch aus. Ich gehe lieber etwas in den Hintergrund, wer weiß, wie das wieder runtergeht!
Es ist aber aus einem anderen Grund ganz gut, etwas im Hintergrund zu bleiben. Ein paar Männer bringen eine Schachtel, aus der einige Zündschnüre herausschauen und versuchen, sie mitten auf der Strasse anzuzünden. Wieder klappt das nicht auf Anhieb, es braucht mehrere Versuche, das zu zünden, eigentlich lebensgefährlich!
Dann krachts und ein Feuerregen springt heraus, alles raucht und stinkt, auch kleine Leuchtraketen starten aus der Schachtel und die Trümmer fliegen herum.
Ein paar Männer der Gruppe versuchen eine Menschenpyramide zu errichten, sie schaffen es bis zur dritten Ebene, als der oberste dann eine Fahne auch noch schwenken will, bricht der Turm zusammen.
In der Zwischenzeit bin ich hungrig geworden und beschließe, ein Restaurant in der Nähe zu besuchen, das mir schon ein paar Mal aufgefallen ist. Ich werde in den ersten Stock geleitet, dort befindet sich der noch schönere klimatisierte Teil. Dadurch ist es hier fast kalt im Vergleich zu draußen. Ich bestelle als Vorspeise etwas mit Banane, bin gespannt, was das ist und ein Biryani als Hauptgang. Das Cola ist klein und trotzdem teurer als überall anders, ich bin wirklich in einem besseren Lokal. Während ich warte, beginnt sich das Lokal langsam zu füllen, Familien mit Kindern, junge Pärchen kommen, sie sind anscheinend alle hungrig vom Ganesha schauen. Eine Familie mit 3 Kindern spielt mit ihren Handys herum, genau wie bei uns haben sie auch mindestens 4 Stück davon. Die Handydichte ist ziemlich groß, anscheinend hat jeder, der einen Job hat auch ein Handy. Angeblich sind 2/3 aller indischen Handys hier in Mumbai!
Jetzt kommt auch mein Essen, Vor- und Hauptspeise gleichzeitig, sie wollen mir auch das Biryani gleich aufs Teller geben, ich möchte aber trotzdem die Vorspeise zuerst aufessen. Die entpuppt sich als eine Art Bananenpizza mit frischen Korianderblättern drauf und gebacken, ein echt interessanter eigener Geschmack! Ich bin davon fast schon satt, da schaffe ich die Hauptspeise sicher nicht komplett. Das Birhani ist mit Tofuwürfeln, das ist aufgrund der Schärfe richtig angenehm. Leider hat mir niemand gesagt, dass es da gar nichts dazu gibt, ich brauche unbedingt diese Fladen/Pfannkuchen dazu. Es würde mir ja schmecken, aber ich muss nach der Hälfte aufgeben, ich bin einfach satt.
Als ich hinauskomme, schüttet es in Strömen und ich habe nichts mit zum Überziehen. Nach ein paar Minuten Warten mache ich mich doch auf den Weg zum Hotel, es sieht nicht so aus, wie wenn es bald aufhören würde. Nach diesen paar Minuten bin ich bis auf die Haut nass, ich kann das tropfende Hemd und die Hose nur mehr in der Dusche aufhängen.
Gestern wurde mir gesagt, dass ich auf jeden Fall nächsten Freitag zur Prüfung antreten kann. Da muss ich noch viel lernen, da muss das Wochenende genutzt werden. Ich werde mich aber am Sonntagnachmittag trotzdem mit Swapnil bei Capgemini treffen, damit wir das Griechenland-Projekt besprechen können und ich ihm ein paar Dinge zeigen kann.
Heute war nur Lernen und Üben angesagt, ich habe meine Unterlagen systematisch durchgearbeitet, dabei sind wieder ein paar Sachen aufgetaucht, die ich noch nicht in meinem Blueprint eingebaut habe. Schön langsam wird wirklich etwas daraus. In der Nacht, weil ich nicht einschlafen konnte, habe ich zur Ablenkung auch noch den Blueprint für die Anlagenbuchhaltung überarbeitet, dann wars auf einmal 4 Uhr in der Früh…
Ich bin dann am Morgen nur kurz zum Internetpoint, um mit Evi über Skype zu chatten, meine Schwester ist auch zu Besuch bei ihr, die ist natürlich auch neugierig, wie es mir geht.
Nachdem ich nach dem Frühstück nichts mehr gegessen habe, macht sich auch schön langsam der Hunger bemerkbar. Ich möchte mir was gönnen und beschließe zu den Hilton Towers zu fahren, da mir ein Kollege vom Kurs gesagt hat, dass es dort Spitze Essen sein soll, no na.
Vorher gehe ich aber noch zu Shoppingmall, ich brauch noch was zu trinken für das Zimmer. Dort gibt’s auch einen Anzugschneider, ich schaue mir etwas an und habe mir im Nu auch schon etwas ausgesucht und werde schon vermessen. Um 2500 Rupies, das entspricht rund 50 Euros, kann man da wirklich zuschlagen. Am Montag ist Anprobe und am Mittwoch ist er fertig. Ich bin gespannt, wenn er ok ist, bestelle ich noch einen und auch noch ein paar Hemden.
Dann geht’s mit dem Taxi Richtung Hilton Towers, das liegt auch am Meer, nur einige Kilometer von Chowpatti entfernt. Nach einer Weile beginnt es wieder zu regnen, und ich spreche den Fahrer drauf an. Der glaubt, er müsse sofort die Fenster schließen und fährt an den Rand und schneidet dabei einem Moped den Weg ab. So schnell kann ich gar nicht schauen und der Beifahrer ist schon abgesprungen und greift beim Fenster herein und gibt dem Fahrer eine Ohrfeige, ein zweiter packt ihn auch noch und auf einmal reißt noch einer die Beifahrertür auf und greift herein. Ich bin sprach- und hilflos und mein Mut, etwas zu unternehmen ist auch gegen Null. Gott sei Dank (der Fahrer hat sicher Ganesha gedankt) kann er sich losreißen und wegfahren.
Wir fahren am Victoria Terminal vorbei und biegen dann Richtung Küste ab, schön langsam kann ich die Richtungen schon zuordnen und irgendwie denke ich mir, daß mein Fahrer kompliziert fährt. Die Straßen werden besser, die Gehsteige sind befestigt und sauber, es gibt Ampeln, die neuen Autos werden mehr, sogar 2 Mercedes sind dabei, wir befinden uns eindeutig in einem der nobleren Teile Mumbais. Hier gibt es auch Markierungen für die Fahrspuren, das wird aber hauptsächlich von den Taxis nicht einmal als Vorschlag zur Kenntnis genommen und man fährt irgendwo dazwischen und ist dadurch immer wieder einem anderen Fahrzeug im Weg, aber dafür gibt’s ja die Hupe.
Dann sind wir beim Hotel, ich sehe wieder die Bucht und die beleuchtete Skyline bis hinter Chowpatti und beschließe, zuerst da ein bisschen entlang zu spazieren und ein paar Fotos zu versuchen. Dabei werde ich wieder einmal von einer Mutter mit 2 Buben angebettelt, ich gebe ihr etwas, auch wenn das nicht wirklich hilft, aber mir fehlt es umgekehrt auch nicht.
Ich gehe dann in das Trident Hotel hinein und suche das Restaurant „Indiana Jones“, das sieht wirklich toll aus und ich bekomme auch einen schönen Platz. Die Erdnüsse sind scharf, viel Wasabi, das kommt erst hinten nach. Das Essen, ein chinesisches Huhn mit Gemüse ist auch lecker. Und nachher gibt’s einen Cappucino, der erste Kaffe in Indien. Der ist ziemlich stark, ich werde wieder nicht einschlafen! Dazu bringt der Kellner noch ein Gefäss mit Bonbons, ich koste eines, wieder ein ganz neuer Geschmack, zuerst süß, dann ähnlich wie Essig und am Ende kommt es noch scharf nach.
Zum Abschluss sehe ich mir noch die Bar „Opium Den“ im Hilton an, der Reiseführer empfiehlt sie auch. Sie ist wirklich edel und der Taiquiri mindestens so teuer wie bei uns, er war aber auch gut.
Die Rückfahrt geht dann rascher und auch ohne Zwischenfälle, der Fahrer fährt so wie ich es auch getan hätte, ich kenne mich ja schon aus in Mumbai!
Leider gab es im September 2007 noch keine Möglichkeit für Nicht-Inder, die SAP Zertifizierung gleich vor Ort zu machen, ein Jahr später war das bereits selbstverständlich
Ich habe gestern im Internetpoint noch ein Mail an Fabian geschrieben, sonst glauben meine Kollegen in Wien, ich habe gekniffen. Dabei hätte ich gern die Prüfung gemacht, ich bin ganz gut drin und habe den Unterschied zu meinen Kollegen innerhalb von ein paar Tagen wieder aufgeholt. Der SD-Business-Blueprint, den ich zwar in Deutsch aufgebaut habe, hat mir sicher dabei geholfen, in den 6 Monaten nicht alles zu vergessen. Ich habe nur manchmal ein Problem mit den englischen und deutschen Bezeichnungen, da man nicht alles so einfach übersetzen kann.
Fabian teilt mir mit, es täte ihm leid, aber es gäbe keine Möglichkeit die Prüfung am Freitag zu machen. Genau genommen hab ich eh nicht mehr dran geglaubt. Dafür schlägt er mir vor, das Wochenende in Goa zu verbringen und nicht in der stinkenden Stadt. Ich werde mir das bis morgen überlegen und ein bisschen im Internet forschen, was die Flüge so kosten.
Goa ist ca. 600km südlich von Mumbai und mit dem Flugzeug in einer Stunde zu erreichen. Der Flug hin-retour kostet runde 140 Euro, also werde ich das machen.
Ich wollte im September 2007 über diesen Tag meines Mumbai-Aufenthalts gar nichts schreiben, aber rückblickend betrachtet ist mein persönlicher Culture Clash, der einen Lernprozess bei mir einleitete, das wirkliche Thema in diesem Tagebucheintrag zu einem nicht besonders ereignisreichen Tag.
Eigentlich wollte ich heute gar nichts schreiben, aber jetzt gibt’s es doch einiges, das ich loswerden möchte.
Am Morgen war der Frühstücksraum überfüllt und kein Platz zu bekommen, nach 10 Minuten wurde dann endlich ein Tisch frei. Ich holte mir meine Cornflakes, auf einmal stellten 2 Inder ihre Teller wortlos her und setzten sich. Das ist so eines der Dinge, die anscheinend nicht nur über Skype nicht funktionieren, und das ist die Kommunikation mit anderen, die man nicht kennt. Es wird so getan, wie wenn die anderen nicht da wären, so nach dem Motto, ich nehme auf dich nicht Rücksicht, dafür musst du auf mich Acht geben. Das ist im Straßenverkehr so, der, der vorne ist, gibt den Ton an und die hinten können hupen, aber im Prinzip ist das egal. Oder wenn jemand durch eine Tür geht, wird die ausgelassen und kann zuknallen, egal ob jemand nachkommt.
Höflichkeit ist gegenüber Fremden nur geschäftlich, aber nicht alltäglicher Umgang. Niemand sagt in der Früh Guten Morgen, wenn er einen Raum betritt, begrüßt werden maximal Freunde. Das haben mir meine Kurskollegen erklärt und sie finden das eigentlich gar nicht so toll, sie bemühen sich jetzt sichtlich, einen etwas anderen Umgang zu pflegen. Damit wird mir die Kommunikationsweise meiner beiden Capgemini-Kollegen auch klarer, auch wenn sie mich weiterhin auf die Palme bringen wird.
Beim Überqueren der Straße bin ich im Prinzip ja geübt, aber heute wäre ich doch fast mit einem Pferd zusammengerannt, weil damit rechnet man ja als Europäer nicht wirklich. Kaum verschnauft und umgedreht, steht das zweite (eh mit Reiter) hinter mir. Zu den tierischen Erlebnissen gehört auch, dass ich gestern das erste Mal einen Hund gesehen habe, der am Motorroller mitgefahren ist!
Am Abend war ich beim McDonalds, davon gibt’s einige in Mumbai, einen schräg vom Hotel. Es war lecker indisch, aber wenn man nicht auf die Straße gesehen hätte, hätte es (fast) irgendwo auf der Welt sein können. Die Preise sind um einiges niedriger, aber für indische Verhältnisse doch gehoben, ein BicMac Menu kostet 120 Rupies, das ist etwas mehr als 1 Euro. Das Publikum ist richtig gemischt, aber doch eher die Oberschicht, aber es war genauso ein moslemischer Opa im Hawai-Hemd mit Tochter mit Kopftuch (sonst wäre ich nicht auf Moslems gekommen) und Enkeltochter in Jeans und T-Shirt dabei. Zwei tratschende Freundinnen, es sah so aus wie wenn es die gleichen Themen wie in Europa wären, versandten dazwischen SMS. Nur Türsteher in Uniform gibt’s in Europa beim Mäci nicht.
Als ich zum Zimmer gehe, wartet schon der Hotelboy, der für mein Zimmer zuständig ist. Er sagt, meine Wäsche sei fertig, ob er sie bringen könne. Natürlich, ich bin gespannt, wie alles aussieht. Ich habe heute in der Früh Hemden, T-Shirts, Hosen, Unterwäsche und Socken zum Waschen gegeben.
Jetzt ist alles retour, sauber und gebügelt und an jedem Stück, auch an jeder Socke, hängt ein Zettel mit der Zimmernummer.