1: Meine Pension ist kein Unruhestand

Nach fast einem Jahr in Pension schadet es nicht, sich wieder an lang geübte Praktiken aus dem Beruf zu erinnern. Im Projektmanagement hieß eine davon „Lessons learned“. Das ist das Sammeln und Aufarbeiten von Erfahrungen und Ereignissen während eines Projektes um daraus Schlüsse zu ziehen und sie bei zukünftigen Projekten miteinzubeziehen. Ich weiß natürlich aus jahrelanger Erfahrung, daß die Erkenntnis das eine ist und die Umsetzung in der Zukunft das andere, aber man kann ja auch in der Pension eventuell noch klüger werden.

Als Ruhestand möchte ich meine Pension bewusst aber auch nicht bezeichnen, weil ich zwar meine beruflichen Verpflichtungen erfüllt habe, aber es nie mein Ziel war, mich nur auszuruhen. Am wichtigsten war und ist für mich, daß ich endlich (fast) nicht mehr fremdbestimmt bin. Zu diesem Thema gibt es sicher bald einen extra Blog.

Unruhestand ist für mich aber auch nicht die richtige Bezeichnung, da das für mich zu suchen und etwas hinterherzulaufen bedeutet, ohne sich selbst gefunden zu haben. Genau das aber sollte man bis zum Pensionsantritt schon erreicht haben, indem man versucht, sich selbst nicht nur über den Beruf zu definieren, sondern, falls man das noch nicht gemacht hat, herauszufinden, welche Interessen man haben könnte und welche Aktivitäten Spaß machen würden.

Wir Pensionisten wissen zu diesem Zeitpunkt ja alle, daß die Zeit vor uns auf jeden Fall kürzer sein wird, als die bereits erlebte. Darum ist es wichtig, in Zufriedenheit und Ausgeglichenheit diese Zeit bewußt zu leben. Mir ist schon klar, daß nicht alle von uns gesundheitlich und materiell halbwegs sorgenlos sind, aber auch hier ist der Blick auf das halbvolle Glas besser als auf das halbleere.

Es klingt banal, aber es ist wirklich so. Mit jedem Lebensjahr werden andere Dinge wichtiger. Es sind immer weniger die materiellen Dinge, sondern mehr der Augenblick, die gemeinsame Zeit mit den Menschen, die mir nahestehen, ein Theaterbesuch oder ein schönes Erlebnis in der Natur, die das Leben schön machen.

Auch darum habe ich für mich beschlossen, praktisch ohne Stress zu leben, obwohl die Tage mehr ausgefüllt sind, als ich dachte, aber trotzdem selten Zeitdruck dabei ist. Dabei nehme ich so wenig wie möglich Verpflichtungen von aussen an, da genau das Stress für mich bedeutet. Trotzdem erlaube ich mir Spontanität und kurzfristige Entscheidungen und einige, aber gar nicht so viele Faulenzertage sind auch dabei.

Ein bisschen umgehört habe ich mich auch, schon vor dem Zeitpunkt des Pensionsantritts, aber auch seither, wie das von anderen in meinem Alter gesehen wird. Die meisten von uns arbeiten ja gerne, egal in welchem Beruf, aber ab einem gewissen Alter mögen viele die Begleitmusik dazu immer weniger. Seien es die körperlichen Beschwerden, die jedes Jahr mehr werden oder auch der emotionale oder zeitliche Druck, der immer schwerer weggesteckt wird, sie machen es immer schwieriger ab einem bestimmten Zeitpunkt so zu arbeiten wie 10 Jahre vorher. Die Erholungsphasen am Wochenende werden ebenfalls immer länger, manchmal wird das Wochenende für den einen oder die andere von uns dazu auch zu kurz.

Sicher, wir Menschen zumindest in der westlichen Welt werden immer älter, was rein rechnerisch und sachlich ein höheres Pensionsantrittsalter rechtfertigt. Dabei nimmt einerseits die Altersarbeitslosigkeit zu und andererseits ist die aktuelle Arbeitswelt nicht dafür geeignet, einerseits möglichst gesund bis zur Pension durchzukommen und andererseits die Leistung älterer Mitarbeiter oder Kollegen entsprechend zu respektieren. Unser aller Ziel muß es aber sein, ohne größere Beschwerden möglichst lange das Älterwerden zu ermöglichen.

Dazu war die Altersteilzeit ein guter Einstieg, sich einerseits mit der neuen Situation eines nicht mehr so strukturierten Lebens und andererseits mit der neu gewonnenen Unabhängigkeit zu beschäftigen und sich daran zu gewöhnen.

So bin ich froh, bereits den Schritt in die Korridorpension gemacht zu haben und das erste Jahr schon (zum Zeitpunkt des Blogs fast) genossen zu haben. Was da alles so passiert ist, konntet ihr ja bei einigen Dingen mitlesen, wer es noch nicht getan hat, hat aber noch immer die Chance dazu! Ein etwas detaillierteres Resümee mache ich in meinem nächsten Blog. Vielleicht kann ich mit meinen Erfahrungen, den am Anfang genannten „Lessons learned“, dem einen oder der anderen zumindest einen Denkanstoß für den Einstieg in die Pension geben.

Übrigens habe ich zufällig mit einem Freund darüber gesprochen, daß ich praktisch nie nach dem Biken bei einem unserer Heurigen vorbeikomme, wie ich mir das eigentlich vor dem Pensionsantritt vorgestellt hatte. Er meinte, da hast du etwas zu lernen: du musst nächstes Jahr deine Routen anders legen! 🙂 Mit einem Erkenntnisgewinn in dieser Richtung habe ich aber am wenigsten gerechnet!

Links

Hier kommt noch ein Link zu einigen Gedabken von Melinda Gates zum Älterwerden:

I Turn 60 Next Month. Here’s How I Feel About Getting Older.
https://www.linkedin.com/pulse/i-turn-60-next-month-heres-how-feel-getting-older-french-gates-h1mle?utm_source=share&utm_medium=member_android&utm_campaign=share_via

https://navigatemc.com/lessons-learned-process-focus/
https://de.m.wikipedia.org/wiki/Lessons_Learned

Schon wieder 6 Monate als mitteilungsbedürftiger Pensionist

Why do you blog?

Diese Frage habe ich mir eigentlich so nie gestellt. Bei meiner Pensionierung sind einige ehemalige Kollegen mit der Idee gekommen, daß ich sie irgendwie an meinen geplanten Erlebnissen mit dem Motorrad teilhaben lasse.

Nach ziemlich genau 6 Monaten und über 30 Beiträgen mit unterschiedlichsten Inhalten, von Urlaubserlebnissen auf Sizilien über Motorradtouren bei Schlechtwetter und Hitze, über Alpenpässe, durch die Dolomiten, E-Bike Touren gemeinsam mit meiner Frau oder über  diverse Ausstellungen und Museen und mein Elektroauto, bin ich überrascht vom Interesse an meinen Texten.

In diesen 6 Monaten hatte ich fast 3500 Zugriffe aus der halben Welt, obwohl ich keine besondere Werbung außer über Facebook und LinkedIn mache. Immer wieder werde ich von Bekannten, mit deren Interesse ich gar nicht gerechnet habe, angesprochen,  die sich jedes Mal auf das Mitlesen freuen.

Es ist zeitlich sehr viel aufwendiger als ursprünglich gedacht, aber das Schreiben, Fotografieren und Recherchieren, ja auch das ist notwendig, macht Spaß und hält geistig fit.

Weil es für mich Freude machen soll, sind die Themen auch nicht wirklich festgelegt und daher gibt es auch keine exakte Zielgruppe, für die ich schreibe. Ich habe und werde vermutlich auch nie Kooperationen haben, da das die Abhängigkeit und den Druck erhöht.

Genau das wollte ich aber nach dem Arbeitsleben nicht mehr haben, die Unabhängigkeit und Freiheit mit recht wenigen Einschränkungen ist mir sehr wertvoll.

Und so werde ich weiter schreiben,  was mich freut und bewegt. Wer daran interessiert ist, ist gerne weiter eingeladen, mitzulesen, was ein mitteilungsbedürftiger Pensionist loswerden will. Ein riesiges Danke natürlich an alle, die schon bisher mitlesen!