Wirtschaftswunder mit Startschwierigkeiten
Anders als die Währungsreform in Westdeutschland 1948 hat die zweite Währungsumstellung in Österreich im Dezember 1947 nicht zu einer Initialzündung der Wirtschaft geführt. Sie hat jedoch währungsseitig die Grundlagen zu einer Konsolidierung der wirtschaftlichen Verhältnisse in Österreich gelegt, die parallel mit einem deutlichen Rückgang der Inflation ab Ende der 1940er-Jahre eintrat und dann in das österreichische Wirtschaftswunder nach 1953 mündete.
Einen wichtigen Beitrag zur Inflationsbekämpfung leisteten dabei die Sozialpartner. Die Organisationen der Arbeitgeber und Arbeitnehmer einigten sich im Sommer 1947 über die Festsetzung der Preise bei den wichtigsten Bedarfsartikeln sowie über die durch Preiserhöhungen notwendig gewordenen Lohnsteigerungen; so kam es zum ersten von insgesamt fünf Lohn-Preis-Abkommen der Sozialpartnerschaft.

Mit dem am 8. September 1955 beschlossenen Nationalbankgesetz erhielt die Notenbank ihre Unabhängigkeit, wenn auch mit der Einschränkung, dass sie bei der Beobachtung der Währungs- und Kreditpolitik auf die Wirtschaftspolitik der Bundesregierung Bedacht nehmen solle, was aber trotzdem nicht zu ständigen Interventionen von dort führte. Die Erfolgsgeschichte des Schillings nahm ihren Lauf.

Unabhängigkeit und materielle Sicherheit
Die beginnende materielle Sicherheit stärkte jene Kräfte, die nach einer neuen Identität des modernen Österreichs strebten. Aber die Flüchtlingswellen 1956 aus Ungarn und 1968 aus der Tschechoslowakei erinnerten daran, wie fragil der errungene Fortschritt war.
Für die nächsten Jahre zeigten die zentralen Indikatoren die hohe innere und äußere Stabilität der österreichischen Wirtschaft, die durch eine abgestimmte Fiskal- und Geldpolitik hohes Wachstum bei geringem Preisauftrieb und Vermeidung langfristiger außenwirtschaftlicher Ungleichgewichte ermöglichte.
Integration Österreichs in der Welt und in Europa
Österreich beteiligte sich schon damals auch an der Europäischen Integration und trat 1960 der Europäischen Freihandelszone (EFTA) bei.
In der zweiten Hälfte der 1960er wurde dann immer deutlicher, dass das System von Bretton Woods, dem internationalen Währungssystem auf Gold-/Dollarkonvertibilität, das bereits 1944 im Rahmen der Währungs- und Finanzkonferenz der Vereinten Nationen beschlossen wurde, auf Dauer nicht zu halten war.
1969 wollte Frankreich seine Dollarreserven in Gold einlösen, doch die Goldreserven der USA reichten nicht einmal aus, um die Forderungen dieses einen Mitgliedslandes zu erfüllen. Daraufhin kündigten die USA 1971 ihre Verpflichtung, Dollar in Gold einzulösen, was dem System von Bretton Woods die Basis entzog und damit dessen Ende bedeutete.
Zwei „Nebenprodukte“ von Bretton Woods blieben aber bis heute bestehen: der Internationale Währungsfonds (IWF) und die Weltbank (ehemals Internationale Bank für Wiederaufbau und Entwicklung), sie bildeten mit die währungs- und finanzpolitische Grundlage für den weltweiten wirtschaftlichen Aufschwung nach dem Zweiten Weltkrieg.
Der 20-Schilling Blick am Semmering
Auf der Rückseite der vorletzten Ausgabe der 20-Schilling-Banknote aus dem Jahr 1967 war das Motiv ein Blick auf die Semmeringbahn. Diesen Blickplatz „20-Schiĺing-Blick“ erreicht man über den Bahnwanderweg entlang der Semmeringbahn, die als UNESCO-Weltkulturerbe ausgezeichnet wurde. Der Blickplatz bietet eine besondere Aussicht auf das 184 Meter lange und 46 Meter hohe „Kalte Rinne“–Viadukt, unter dem ich immer wieder gerne mit dem Motorrad durchfahre.


Ölpreisschock und Wirtschaftskrise der 1970er
Reformwille und Stabilitätsbewusstsein wurden im Österreich der siebziger Jahre auf eine harte Probe gestellt. Die Phasen raschen Wachstums fanden in der spürbaren Rezession 1975 eine jähe Unterbrechung.
Trotz einer Reihe begleitender Maßnahmen erreichten Anfang der siebziger Jahre die Zuflüsse ausländischer Mittel ein Ausmaß, das mit den binnenwirtschaftlichen Stabilitätsabsichten unvereinbar war. Die vorübergehenden Freigaben des Schillingkurses mündeten schließlich in einer Strategie, die eine unabhängige Kursgestaltung innerhalb der „Schlange“ ausgewählter europäischer Währungen anstrebte. Dabei orientierte sich die österreichische Währungspolitik an einem Korb von „Indikatorwährungen“.
Nach dem ersten Ölpreisschock und dem dabei entstandenen Wachstumseinbruch wollten die damaligen Entscheidungsträger einen Kurs des vielfältig abgestimmten Instrumenteneinsatzes steuern. Eine aktivseitige Kreditkontrolle, zurückhaltende Lohnsteigerungen, Angebots- und Nachfrageseitige fiskalische Stimulierungen und der Versuch, vorübergehend eine eigenständige Niedrigzinspolitik zu betreiben, waren diese Mittel dazu.
Dabei wurde immer deutlicher, dass dieses Regulations- und Interventionssystem den notwendigen Strukturwandel spürbar behinderte und so musste der Versuch, die Zinssätze in Österreich autonom niedrig zu halten, 1979 endgültig aufgegeben werden.
Wiederholt sich die Geschichte?
Manche politische Entwicklungen und Ideen erinnern mich aktuell im Jahr 2025 an das Wiederauferstehen dieser vernünftigerweise damals aufgegebenen Versuche zu starker staatlicher Intervention. Preisbremsen sind nur kurzfristig scheinbare Hilfen, einerseits dämpfen sie die Bereitschaft zu Investitionen, andererseits, wenn sie geöffnet werden (müssen), erfolgt dann eine Beschleunigung der Steigerung, die bei Fahrzeugen gewollt, in der Wirtschaft für die Konsumenten aber fatal ist.
Österreich nützt die Ostöffnung als Chance
Die Stärkung der ökonomischen Leistungskraft auf der Basis eines wettbewerbsorientierten Leistungsvergleiches rückte in den Vordergrund gesellschaftspolitischer Reformüberlegungen der achtziger Jahre. Ende der 1980er sah sich Österreich durch die Ostöffnung aus der Randlagesituation befreit und nahm diese Chance an und wurde in vielen Bereichen die Drehscheibe zur wachsenden Wirtschaft in den ehemaligen Ländern des Warschauer Paktes.
Auch wenn es schon damals nicht immer konfliktfrei war, bot sich eine neue Chance zu einem Dialog, in dem die Partner auch Interessensgegensätze offen aussprechen konnten, um einen produktiven Ansatz für ein neues gemeinsames Haus Europa zu finden, von dem sich manche leider heute wieder entfernen möchten.
Die Erfahrungen der siebziger Jahre legten der österreichischen Währungspolitik nahe, den Schillingkurs an der DM auszurichten. Durch diese „stille Integration“ in das große Währungsgebiet des EWS wurde der Strukturwandel der österreichischen Wirtschaft zusätzlich angeregt und anhaltende Produktivitätssteigerungen konnten die Position österreichischer Unternehmen damals nachhaltig sichern. Die Geld- und Währungspolitik war dabei darauf ausgerichtet, stabile Rahmenbedingungen zu schaffen.
Die österreichische Wirtschaft nahm diese Herausforderung im Laufe der achtziger Jahre an. Jedoch war diese Entwicklung auch von einem starken Anstieg der Arbeitslosigkeit begleitet, deren Abbau zunächst nicht gelang. Erst in der zweiten Hälfte der 1990er beschleunigte sich das reale Wachstum wieder und die Konkurrenzfähigkeit nahm zu, was auch in der Vermeidung größerer Leistungsbilanzungleichgewichte zum Ausdruck kam.
Österreich wird Mitglied der EU und des EWS
Die neunziger Jahre standen dann auch im Zeichen der Integration Österreichs in die Europäische Gemeinschaft. 1995 wurde Österreich, neben Schweden und Finnland, neues Mitglied der Europäischen Union (EU). Im selben Jahr trat Österreich auch dem Wechselkursmechanismus des Europäischen Währungssystems (EWS) bei, dem sie ja faktisch durch die damalige Bindung an die D-Mark bis dahin schon folgte.




