Die Schallaburg in der Nähe von Melk an der Donau wird seit 50 Jahren als Ausstellungszentrum des Landes NÖ genutzt. Zu diesem Jubiläum besannen sich die Verantwortlichen der Wurzeln des Schloßes und richteten eine Ausstellung mit dem Thema „Renaissance einst, jetzt und hier“ ein.
Weil ich gerne mehrere schöne Dinge miteinander verbinde, nutzte ich das sonnige Wetter und fuhr mit dem Motorrad über den Wienerwald in das Gebiet südlich von St.Pölten, das äußere Pielachtal, ein bisschen Dunkelsteinerwald bis in die Nähe von Loosdorf mit Blick auf die imposante Schallaburg. Damals konnte ich mir nicht vorstellen, daß wenige Tage später große Teile meiner Motorrad-Route im Hochwasser versinken sollten.

Geschichtsträchtige Gegenwart
Diese Ansicht kennen alle, die auf der Autobahn A1 Richtung Wien fahren und einige Kilometer nach dem Blick nach links zum Barockstift Melk rechts ein Schloß mit einem imposanten Turm am bewaldeten Hang entdecken.

Die Spuren der Renaissance in Niederösterreich sind an vielen Orten zu erkennen, von Krems über Wr.Neustadt bis eben zur Schallaburg. Diese Epoche von nicht ganz 200 Jahren ging aus dem hundertjährigen Krieg hervor und ist einerseits als Wiedergeburt der Antike und andererseits als eine erstmalige Emanzipation des Bürgertums von Adel und Klerus zu verstehen. Das zeigt sich nicht nur in der Kunst, sondern auch in der Wissenschaft und Bildung. All das wird in dieser sehenswerten Ausstellung, die noch bis 3.November 2024 läuft, thematisiert.




Der Innenhof der Schallaburg mit seiner Terrakotta-Verkleidung wurde zu ihrem Markenzeichen und zugleich zu einem Denkmal der Renaissance. Terrakotta war aber schon in der Antike ein beliebtes Material gewesen, beispielsweise bei der Herstellung der Tanagra-Figuren. Sie stammen aus der gleichnamigen Stadt in Zentralgriechenland und wurden in großen Mengen exportiert.
Schattenprojektion – eine etwas andere Darstellung des Schloßes

Dieses Kunstobjekt soll auf die drei große Erzählbereiche aufmerksam machen: das Renaissanceschloss, das Menschenbild und die Lebenswelt der Renaissance.
Die Schallaburg wurde unter dem Adelsgeschlecht der Losensteiner zu einem prächtigen Renaissanceschloss ausgestaltet. Trotzdem ist heute von den Losensteinern nur mehr ein Schatten übrig.
Wirklichkeitstreue und Selbstsicht
In vielen Bildern von bekannten und auch namenlosen Personen schufen die Künstler der Renaissance oft wirklichkeitsgetreue Abbilder von lebenden Personen, aber sie zeigten auch, wie Menschen sich selbst sahen und wie sie gesehen werden wollten.

Künstler wie Leonardo da Vinci, Albrecht Dürer, Lucas Cranach d. Ä., aber auch Martin Luther und seine Frau Katharina von Bora als Beispiel des damaligen Verständnisses von Ehe und Familie, aber ebenso gänzlich Unbekannte wurden bildlich thematisiert. Aber nicht nur Bilder, sondern auch modische Objekte wie Highheels, Münzen und Medaillen als, heute würde man sagen, Werbemittel sind zu sehen und geben Einblick in die Lebenswelt der Renaissance.
Was von den Losensteinern blieb
Heute sind die bildhaften Spuren der Familie äußerst spärlich: Kein Bild existiert von Christoph II., ein einziges Porträt von Hans Wilhelm. Ihre Frauen liegen gänzlich im Dunkeln. Gäbe es die so gut erhaltene Schallaburg nicht in der heutigen Form, wüssten wir noch weniger von ihnen, so ist sie aber zu ihrem zentralen Erinnerungsobjekt geworden.

Bildung ist mehr als Wissen
Mit diesem Satz kann man den Bogen zum Heute spannen: Eigentlich gilt diese Aussage in einer Zeit umso mehr, wo nur mehr Detailwissen und Silodenken, die durch KI ohne menschliches Zutun zu einem vermeintlich Ganzen zusammengefügt werden.




Der Anspruch von Martin Luther, daß Bildung allgemein zugänglich sein sollte, wurde durch die deutschsprachige Bibelübersetzung, die von der damaligen katholischen Kirche abgelehnt wurde, besonders unterstrichen.
Die von den Losensteinern gegründete hohe Schule von Loosdorf, nach heutigen Begriffen ein Gymnasium, ist ein beeindruckendes Beispiel für den Zugang zu gehobenen Bildungsansprüchen. Sie war sozial durchlässig und ermöglichte, wenn auch nur den männlichen Kindern armer Familien, den Zugang zur gehobenen Bildung. Der damalige Nachteil war die protestantische Ausrichtung und so wurde sie nach wenigen Jahren im Zug der Gegenreformation aufgelöst. Das Gebäude ist in der damaligen Form noch heute erhalten.
Weit sehen, aber auch gesehen werden
Die Schallaburg trug einst einen mittelalterlichen Bergfried, der sicher damals die Burg dominiert hatte. Er wurde abgebrochen und seine Steine als Fundament für den Renaissancetrakt verwendet. Statt eines Turms als Zeichen der Herrschaft gab es somit einen Neubau, der sich an der Residenz Ferdinands I. in Wien orientierte. Erst Hans Wilhelm ordnete die Errichtung des noch heute weithin sichtbaren Turms als symbolischen Ersatz an. Als Schloß brauchte es jetzt keinen Wehrturm mehr, sondern ein repräsentatives Zeichen der Herrschaft.

Auf den Hund gekommen
Die umfangreichen Bauprojekte sprengten allerdings die finanziellen Möglichkeiten. Es blieb einzig der Weg des Schuldenmachens. Die Schatztruhe war leer und man sah den darin am Boden aufgemalten Hund.

Und so musste Hans Wilhelms Neffe die Schallaburg schließlich an seinen Schwiegervater Georg den Älteren von Stubenberg überschreiben. Damit endete die über 150-jährige Geschichte der Losensteiner als Besitzer der Schallaburg.
Terrakotta-Figuren dokumentieren die Lebensphilosophie

Heute ist die Weltsicht der Renaissance nicht mehr so einsichtig wie vor rund 400 Jahren. Der damalige Anspruch, die Tugendhaftigkeit zu erreichen, erscheint uns als aufgeklärten Menschen des 21. Jahrhunderts recht aufgesetzt, war aber ein reales Lebensziel. Das noch vollflächig farbenfroh dargestellt ist uns nochmals fremd und wurde während einiger Renovierungen in Bildern visualisiert.


Von den Tugenddarstellungen über Herkules bis zu einer eigenartigen Fabel reichen die detaillierten Darstellungen und geben uns, wenn wir uns darauf einlassen, ein reichhaltiges Bild des damaligen Selbstverständnisses.



Die Kunst wie wir sie heute verstehen oder diskutieren unterscheidet sich grundsätzlich von der klaren Sichtweise der Antike und Renaissance. Die damaligen sieben freien Künste waren wissenschaftliche und technische Kunstfertigkeiten, die zum Bildungsziel freier Bürger wurden.
Mit dem Terrakotta-Portäts, die antiken Münzbildern nachempfunden sind, wollte man die Tugenden des Adels und die eigenen Verbindungen zum Kaiserhaus in Erinnerung rufen.

Libri Prohibiti oder: die Grenzen der Meinungsfreiheit

Die Erfindung der Druckerpresse und die Verbreitung der deutschsprachigen Luther-Bibel führte dazu, daß immer mehr Menschen lesen lernten. Das war nicht im Sinne der katholischen Kirche und daher wurden viele Bücher und Schriften konfisziert und im Stift Göttweig in einem gesonderten Raum versperrt.

Die Mönche hatten auf diese „Libri Prohibiti“ (verbotene Bücher) ursprünglich nur mit Erlaubnis des Papstes und später nur zu Studienzwecken Zugang. Man musste ja verstehen, wogegen man ankämpfte. Diese Exemplare geben aber heute durch die handschriftlichen Notizen der jeweiligen Besitzer Auskunft über Ereignisse in der Familie wie Taufen oder Sterbefälle, aber genauso über Erdbeben oder Brandkatastrophen. So erfahren wir viel über das Leben der „gewöhnlichen“ Menschen der Renaissance im heutigen Gebiet von Niederösterreich.
Alchemie und Wissenschaft
Ein besonders interessantes Ausstellungsdetail sind einige Stücke der über 1000 Fundstücke des Alchemistenlabors aus dem Gut Oberstockstall jenseits der Donau. Sie dienten zu alchmistischen und pharmazeutischen Experimenten und ist nach Aussage von Fachleuten eines der besten Beispiele eines Laboratoriums auf der Schwelle zur neuzeitlichen Chemie.
Persönliches Fazit
Die Schallaburg prägt mein Interesse für Geschichte, bildende Kunst und Architektur schon seit meiner Schulzeit. Bereits bei der ersten Ausstellung 1974 „Renaissance in Österreich“ war ich einer der mehr als 320.000 Besucherinnen und Besucher und so begleitet mich dieses Schloß bis heute.
Die Schallaburg ist aber auch eng mit der Geschichte des niederösterreichischen Radios verbunden, von 1976 bis 1999 produzierte und moderierte der legendäre Willy Kralik das wöchentliche Hörfunkquiz „Turnier auf der Schallaburg“, das lange Zeit auch von mir immer wieder verfolgt wurde.
Mein kleiner Bericht von der Schallaburg, der hoffentlich keine sachlichen Fehler enthält und Appetit auf dieses Juwel machen soll ist damit zu Ende. Ich bin aber den an meinen Motorradtouren interessierten Lesern noch die Routen der Hin- und Rückfahrt schuldig und löse das hier ein.
Die Rückfahrt führte mich an der Wallfahrtskirche Maria Steinparz, wo man nebenan auch sehr gut essen kann, vorbei und weiter über Weinburg, Ochsenburg durch das Hügelland südlich von St.Pölten ins Laabental und dann über St.Corona am Schöpfl wieder ins Triestingtal-

Kurviger Links zum Download der Routen:
Von der Schallaburg | Kurviger
