Von Edolo bis Flims
Hinter dem ganz unscheinbaren Eingang in die Bäckerei und Pasticceria, gar nicht wie beim Motorrad-Treffpunkt gegenüber, verbirgt sich ein modernes Lokal das La Bella Edolo, typisch lombardisch, wir würden eher sagen italienisch mit sagenhaft gutem Gebäck und Kaffee, genau der richtige Ort für mein Frühstück. Ich bin sicher, hier muß ich beim nächsten Mal wieder einen Stopp einlegen.

So gestärkt, ging es dann auf den Passo Aprica, der den Namen „Pass“ von der Ostseite von Edolo aus eigentlich nicht verdient. Nur die Mischung aus vielen Kurven mit 2 Bussen, einem LKW und einigen PKWs zerrt dann doch an den Nerven und es dauerte einige Kilometer, bis ich alle zusammen in fast schon italienischer Manier überholt hatte.
Aprica, wo auch der Scheitel des Passes liegt, war noch festlich geschmückt, da einige Tage vorher die zweite Etappe des Giro Italia der Damen hier halt machte.
Am Ende ging es dann doch noch mit einigen richtigen Serpentinen hinunter ins Valtellina mit der Provinzhauptstadt Sondrio.



Hier muss man sich dann nicht besonders aufhalten, sondern folgt von Tresenda bis Trivio Fuentes zügig der SS38. Heute war sie in dieser Richtung gar nicht so stark befahren wie die letzten Male, sodass ich praktisch ohne Stau rasch durchkam. Dann ging es weiter auf der SS36 Richtung Chiavenna, wo ich aber bald nach der Brücke über die Adda einen Abstecher nach links machte, um an den Comosee zu gelangen. Das Eis und der Cappuccino auf der Terrasse direkt am See gab dann die Kraft für den Splügenpass.



Der Kreisverkehr in Chiavenna, der einerseits zum Malojapass und andererseits zum Splügenpass führt, war aber auch heuer ein Nadelöhr, durch das man sich mit den Seitenkoffern am Motorrad gar nicht so einfach durchschwindeln konnte. Bald begannen die ersten der insgesamt 52 Tornanti (Haarnadelkurven) auf italienischer Seite, wobei es am besten ist, keinen Gegenverkehr in einer dieser Spitzkehren zu haben, denn wenn man auch selbst meist auf der eigenen Fahrbahnhälfte bleiben kann, ist das bei entgegenkommenden Fahrzeugen nicht immer so. Sogar ein Schweizer youtube-Autotester spricht vom „Wendekreis des Wahnsinns„, den ein Auto am Splügenpass haben muss.
Dann war es wieder so weit, vor einem Tunnel kam ein längerer Stau und nichts ging mehr. Ich fuhr vor zum Tunneleingang, wo schon viele Biker einen Halt eingelegt hatten. Hier am Punto Panoramico wartete ich mit ihnen ab, bis der Stau sich auflöste. Dabei lernte ich zwei Australier kennen, die schon 6 Wochen in den Alpen mit dem Auto unterwegs waren.




Anscheinend war ein Motorradfahrer im Tunnel gestürzt und hatte sich verletzt. Später dürften dann noch einige Motorräder am entstandenen Ölfleck ausgerutscht sein. Ich konnte aber ohne nennenswerte Schwierigkeiten bis zur Passhöhe hinauf fahren. Die Übung mit den vielen kleinen Sträßchen und Kurven am Vortag (hier nochmals zum Nachlesen) hatte sich bezahlt gemacht und dem Splügenpass den Schrecken genommen.






Die Schweizer Seite hinunter ist besser ausgebaut und auch breiter, so konnte ich die rund 20 Tornanti auch recht zügig durchfahren, wenn ich nicht gerade durch einen ängstlichen oder zumindest bergungeübten Autofahrer gebremst wurde.
Photostopps sind auch hier schwierig bis beinahe unmöglich mit einem Motorrad, speziell mit DSG, wo man keinen Gang hat, der das Fahrzeug im Stehen hält. Die Handbremse ist dabei auch keine wirkliche Hilfe. Darum habe ich mir einige Bilder aus dem Netz ausgeborgt.



Dann erreichte ich schon das Dorf Splügen, das aus verschiedensten Gründen seinen originalen Dorfkern aus Waldner Holzhäusern und eleganten italienischen Palazzi erhalten konnte und machte Halt für eine Mittagspause.




Anschließend folgte ich der alten Splügenstraße B13 talabwärts, die mehr oder weniger parallel zur A13 vom San Bernardino hinunter bis Thusis führt. Sie wird und wurde an vielen Stellen ausgebaut und neu asphaltiert und kann daher meist flott durchfahren werden. Dann sah ich links eine kleine Holz-Hängebrücke, die ich mir ansehen wollte. Ich musste aber einige Kilometer weiter fahren um umdrehen zu können. Es hat sich aber auf jeden Fall ausgezahlt. Tief unten tost der Vorderrhein und ein gar nicht so kleiner Hangrutsch hat einen Teil des Waldes weggerissen.






Den nächsten geplanten Stopp hatte ich dann bei der Viamala-Schlucht. Diese wird von der alten und neuen Steinbrücke überquert. So wie ich von oben kommend, sieht man zwischen den bis zu 300 m hohen Felswänden nur die neue Brücke aus dem Jahr 1935, aber gleich dahinter liegt die alte nach ihrem Baumeister benannte Wildener-Brücke aus dem Jahr 1735. Man könnte von dort auch über 359 Stufen in die Schlucht hinuntersteigen, aber so viel Zeit hatte ich doch nicht und die Motorradkluft ist dafür auch nicht adäquat.




Die B13 führt dann weiter nach Thusis und Bonaduz wo bald bei Tamins die Abzweigung auf die B19 Richtung Flims folgte. Dabei überquerte ich eine Brücke über den Rhein, wo mir der Blick vom Motorrad aus schon gefiel. Da gleich danach ein kleiner Parkplatz lag, konnte ich gut stehen bleiben und auf die Brücke gehen. Dabei entdeckte ich, dass genau hier der Vorder- und Hinterrhein zusammentreffen und als „Alpenrhein“ den „richtigen“ Rhein bilden, der dann nach rund 1200 Kilometern in Holland in die Nordsee fließt. Im Hintergrund führt auch die Brücke der Rhätischen Bahn vorbei. Diese Strecke durfte ich zu meinem 50. Geburtstag mit dem Glacier-Express von Zermatt bis St.Moritz und dann weiter mit dem Bernina-Express bis Tirano fahren.




Nur wenige Kilometer weiter liegt Flims, wo ich im Hotel Bellevue übernachten wollte. Auf den letzten Kilometern habe ich mein Navi, ein Garmin Zumo XT mit der von mir „Susi“ getauften Computerstimme endgültig verwirrt. Es stellte sich wieder einmal heraus, dass das exakte Setzen der Zwischenziele oder Shapping-Points das Leben von Susi und mein Leben als Fahrer ungemein erleichtern. Susi weist ewig und mit Engelsgeduld zurück auf einen ungenau gesetzten Punkt, bis der nächste erreicht ist. Auf dieser Route war ich einige Male ungenau und so war Susi den Großteil der Strecke beschäftigt, mich auf den ihrer Meinung nach richtigen Weg zu bringen. Nur bei meinem ungeplanten Abstecher an den Comosee war sie auf einmal wenige Kilometer weit überraschend still, bis sie sich wieder gefasst hatte.
Der letzte Punkt meiner Tagesetappe war von mir nicht beim Hotel in der Via Nova in Flims gesetzt, sondern auf einem Berg in der Umgebung. Und so forderte mich Susi im Tunnel vor Flims mehrmals nachdrücklich auf, die Straße zu verlassen und zeigte das auch am Display durch viele neue Fähnchen an. Jetzt war mir klar, dass man als Fahrer schon sehr gefestigt sein muss, um nicht Susi blind zu folgen und dann auf einer Schipiste, einem Wanderweg einer Sackgasse ohne Umkehrmöglichkeit oder in meinem Fall in einer Tunnelwand zu landen, was ja immer wieder vorkommt. So erreichte ich nach Aufbietung aller meiner mentalen Kräfte um Susi zu widerstehen, doch noch mein Hotel in Flims.








Pässeliste und die vierte Etappe
Passo Aprica
Splügenpass

